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Stéphane Hessel, Empört Euch!

 

übers. von Michael Kogon, Ullstein, Berlin 2011,

ISBN 978-3550088834, französiches Original: Indignez-vous !, Verlag Indigene, 2010)

 

von Katja Schickel 

 

 

geb. 1917 in Berlin als Sohn der Journalistin Helen Grund und des Schriftstellers Franz Hessel, seit 1924 in Paris, 1939 französische Staatsbürgerschaft, Einzug in die französische Armee. 1940 gerät er zunächst in deutsche Gefangenschaft, kann jedoch nach London fliehen. Ab 1941 in der Résistance gegen die deutsche Besatzung Frankreichs. Nach seiner Verhaftung durch die Gestapo in Paris 1944 Deportation ins KZ  Buchenwald, dem er - mithilfe eines Kapos - entkommt, indem er die Identität eines Toten annimmt. Anschließend gelingt ihm die Flucht aus dem Zug nach Bergen-Belsen. Der spanische Schriftsteller Jorge Semprun hat in seinem autobiographischen Roman über seine Erlebnisse in Buchenwald Der Tote mit meinem Namen  (suhrkamp taschenbuch) auch dieses Schicksal beschrieben. Francois Truffauts Film Jules et Jim basiert auf einem Roman über das Leben seiner Eltern. Nach dem 2.Weltkrieg Diplomat für die UN und französische Ministerien  - und Schriftsteller. 1997 erscheint seine Autobiographie Tanz mit dem Jahrhundert (Arche Verlag).

 

 

Mit 93 Jahren ist er nun in aller Munde: Seine kleine Streitschrift hat es in Frankeich in die Bestseller-Listen geschafft, wurde bisher in 18 Sprachen übersetzt und über eine Million mal verkauft (Hessel hat auf sein Honorar verzichtet, unterstützt lieber kleine Verlage bzw. andere Projekte). Es geht darin um die kurze, aber prägnante Aufforderung zu Widerstand, Mut, Optimismus und Zivilcourage in Zeiten von Stillstand und scheinbaren gesellschaftlichen Übereinkünften, die wie Mehltau über den jeweiligen Gemeinwesen zu hängen scheinen. Dass die Welt in Bewegung geraten kann, erfahren wir gerade - einigermaßen erstaunt - aus den Ländern des Maghreb und Ägyptens - mit offenem Ausgang *

 

 

 

 

 

      

© Foto: dpa

 

  

EINWAND 

Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund ist offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewandt. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert.
Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.  (Walter Benjamin, Über den Begriff der Geschichte)

  

Paul Klee, Angelus Novus, 1920 - Israel Museum, Jerusalem









Fern aber, dunkel vor dem klaren Ausgang,
stand irgend jemand, dessen Angesicht
nicht zu erkennen war. Er stand und sah,
wie auf dem Streifen eines Wiesenpfades
mit trauervollem Blick der Gott der Botschaft
sich schweigend wandte, der Gestalt zu folgen,
die schon zurückging dieses selben Weges,
den Schritt beschränkt von langen Leichenbändern,
unsicher, sanft und ohne Ungeduld.
(aus dem Gedicht von Rainer Maria Rilke: Orpheus. Eurydike. Hermes)

  

 


GEGENREDE

"Mein Blick auf die Welt ist anders als der von Walter Benjamin. Ich starb nicht auf der Flucht vor den Nazis. Ich habe sie um mehr als fünfzig Jahre überlebt. Ich habe auch die Sowjetunion überlebt. Als 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte veröffentlicht wurde, da waren die nichts anderes als ein hehres Ziel. [...] Heute gibt es Menschenrechtsorganisationen. Es gibt überall auf der Welt ein ganz anderes Bewusstsein über die Menschenrechte. Ich blicke nicht voller Entsetzen auf die Vergangenheit. Ich empöre mich, um es besser zu machen. Ich glaube, dass die Menschheit ihre schlechten Seiten wird überwinden können. Ich glaube an die Menschen." (© Berliner Zeitung - Magazin, 19.02.2011)

 

Es sind sein Vertrauen, sein Optimismus, die sich beim Lesen des schmalen Bandes sofort mitteilen. 

Der Text ist übrigens auch online verfügbar.

 

* Auf: mibazaar.com: Tweets aus diesen und anderen Regionen!

 

Die Tunesierin Lina Ben Mhenni bloggt auf: http://atunesiangirl.blogspot.com/.
Ihr Buch ist soeben erschienen: Vernetzt Euch! Ullstein Verlag, 48 S., 3,99 Euro 
 
 
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03-2011 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 


 
 
 
 
 
 

 

 

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 



 

 

 

 

 

 

 

 

 



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