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Ludvík Kundera
Wortspieler und Buchstabenzauberer - zum 95sten
Z pohnuté historie 22. březnů |
Aus der bewegten Geschichte des 22. März | Milerád se přiznávám k veliké a stěží odpustitelné slabosti: vyhledávám ve starých knihách, co se kde stalo 22. března. (Je to starý blázen, říkali o mně už když mi bylo třináct.)
I nemohlo mi uniknouti, že 22. března roku 1782 přijel do Vídně papež, aby zabránil rušení klášterů. (22. dubna pak opět z Vídně odejel.) Zaznamenal to pan profesor František Martin Pelcl a tomu já, jemuž nebyl dán dar víry, téměř věřím. Tím spíše, že necelý rok před touto událostí klnul mstivým, nespravedlivým a pyšným pedantům, a že po této události po pět let pečlivě zaznamenával, kde byl který klášter zrušen či o kolik byl zmenšen počet řeholníků. Neméně nadšen jsem však i zápisem, jejž pan profesor Pelcl učinil 22. března 1790: tehdy se na zemském sněme sešlo osmdesát pánů a jejich stížnosti byly sebrány a odevzdány nejvyššímu purkrabímu aby je poslal do Vídně králi.
Tak tedy: vivant 22. březny!
| Von Herzen gern bekenn ich mich zur großen kaum verzeihlichen Schwäche: in alten Büchern aufzusuchen, was wo am 22. März geschah. (Ein alter Narr, sagten sie von mir schon als ich dreizehn war.)
So konnte mir nicht entgehen: am 22. März des Jahres 1782 kam der Papst nach Wien, die Auflösung der Klöster zu verhindern. (Er reiste wieder ab am 22. April.) Das vermerkte Herr Professor František Martin Pelcl, dem ich, mir war die Glaubensgabe nicht gegeben, fast glaube. Um so eher, da fast ein Jahr vor dem Ereignis er der rachsüchtigen, ungerechten, hochmütigen Pedanten fluchte, und sorgfältig nach diesem Vorfall fünf Jahre lang vermerkte, wo welches Kloster aufgelöst oder um wie viel der Stand der Ordensbrüder sich verringert. Jedoch nicht weniger begeistert war ich von der Notiz des Herrn Professor Pelcl vom 22. März des Jahres 1790: im Landtag damals traten zusammen achtzig Herren deren Beschwerden gesammelt übergeben wurden dem Oberburggrafen, damit er sie dem Wiener König sende.
Also: vivant jeder 22. März! | Ludvík Kundera, *22.03.1920 in Brno/Brünn, war einer der bedeutendsten tschechischen Lyriker, Dramatiker, Erzähler, Essayisten, Übersetzer (aus vielen Sprachen) und Bildenden Künstler. Er studiert mit kriegsbedingten Unterbrechungen Germanistik und Bohemistik in Prag und Brünn. In dieser Zeit entstehen auch erste Prosatexte und Gedichte. Er steht von Anfang an für die literarische Moderne in der Tschechoslowakei (Dadaismus, Expressionismus, tschechischer Poetismus, s. hier auch: Poetismus), die sich allerdings während der deutschen Okkupation ab 1939, in den Zeiten des Stalinismus nach 1948 und während der sog. Normalisierung nach dem Prager Frühling 1968 aus ideologischen Gründen nicht frei entfalten kann. 1943 wird er Zwangsarbeiter in einem Rüstungsbetrieb in Berlin-Spandau und erkrankt lebensgefährlich an Diphtherie. Zurück in Brünn wird er 1946 Mitbegründer der surrealistischen Gruppe Skupina Ra, arbeitet bis 1955 als Redakteur, dann als Freiberufler, von 1968–1970 als Dramaturg. 1970 erhält er Publikationsverbot und veröffentlicht im Samisdat. Erst nach der Samtenen Revolution 1989 ist sein Werk legal verfügbar und wird gewürdigt; eine umfangreiche Werkausgabe stellt sein vielfältiges Œuvre vor. 2002 erhält er den Leipziger Buchpreis für europäische Verständigung und den Kunstpreis zur deutsch-tschechischen Verständigung, 2009 den Jaroslav-Seifert-Preis, die höchste tschechische Auszeichnung für Literatur. Mit seinen Übersetzungen trägt er wesentlich zur Vermittlung deutscher Literatur in Tschechien und tschechischer Literatur in Deutschland bei, ist Herausgeber und Essayist. Er übersetzt u. a. Kubin, Rilke, Huchel, Brecht, Kunze, Trakl, Heine, Celan, Arp, Benn, Morgenstern, Kirsten und Böll ins Tschechische, fungiert als Herausgeber – und Nachdichter – tschechischer Lyrik: von den Anthologien Die Glasträne, 1964; Die Sonnenuhr – gemeinsam mit Franz Fühmann – 1986/1993 und Adieu Musen. Anthologie des Poetismus, 2004 – mit Eduard Schreiber – bis zu Süß ist es zu leben. Tschechische Dichtung von den Anfängen bis 1920, 2006. Ein bibliophiler, von Eduard Schreiber (s. hier auch: FrantisekListopad, MiladaSouckova) herausgegebener Druck zu Kunderas 90. Geburtstag thematisiert schon einmal das oben erwähnte Datum: Zur Bewegten Geschichte des 22. März – Ludvík Kundera zum Neunzigsten – eine Hommage von Freunden, Bewunderern und Weggefährten in Wort und Bild (Arco Verlag), überreicht bei einer Feier in Kunštát. Ludvík Kundera starb am 17.08.2010 in Boskovice. Empfehlung: Ludvík Kundera – Überwintern. Gedichte. Aus dem Tschechischen von Eduard Schreiber. Graphiken: Kaltradierungen des Autors. 40 S., brosch., hochroth Verlag, Berlin 2014. 6,00 €, ISBN 9783902871602
© Übersetzung: Eduard Schreiber, der uns das Gedicht freundlicherweise zur Verfügung stellte; Fotos: Hommage, Arco Verlag (Ausschnitt); idnes.cz ****** Wisława Szymborska 
Morgen - ohne uns | Nazajutrz – bez nas | Der erwartete Morgen ist kühl und neblig. Von Westen her beginnen Regenwolken aufzuziehen. Die Sicht wird schlecht sein. Die Straßen glatt.
Allmählich, im Laufe des Tages, unter dem Einfluss eines Hochs von Norden sind örtlich Aufheiterungen möglich. Doch bei starken und wechselhaften Windstößen kann es Gewitter geben.
In der Nacht klart es fast im ganzen Land auf, nur im Südwesten sind Niederschläge nicht auszuschließen. Die Temperatur wird merklich fallen, dafür steigt der Luftdruck.
Der nächste Tag verspricht sonnig zu werden, obwohl jene, die leben, noch einen Regenschirm brauchen. Aus dem Polnischen von Karl Dedecius. Aus: Glückliche Liebe und andere Gedichte. Berlin, Suhrkamp Verlag 2012. | Poranek spodziewany jest chłodny i mglisty. Od zachodu zaczną przemieszczać się deszczowe chmury. Widoczność będzie słaba. Szosy śliskie.
Stopniowo, w ciągu dnia, pod wpływem klina wyżowego od północy możliwe już lokalne przejaśnienia. Jednak przy wietrze silnym i zmiennym w porywach mogą wystąpić burze.
W nocy rozpogodzenie prawie w całym kraju, tylko na południowym wschodzie niewykluczone opady. Temperatura znacznie się obniży, za to ciśnienie wzrośnie.
Kolejny dzień zapowiada się słonecznie, choć tym, co ciągle żyją przyda się jeszcze parasol. © Wisława Szymborska Foundation Aus: Dwukropek Kraków: Wydawnictwo a5, 2005 | 
Wisława Szymborska (* 02.07.1923, Kórnik, † 01.02.2012, Kraków, Polen) ist eine der bedeutendsten polnischen Dichterinnen. Von 1945-48 Studium der Polonistik und Soziologie an der Jagiellonen-Universität in Krakau. Im März 1945 veröffentlichte sie ihr erstes Gedicht, Ich suche das Wort, im Beiblatt der Tageszeitung Dziennik Polski. Von 1953 bis 1981 schrieb sie für das Krakauer Wochenmagazin Życie Literackie eine Poesie-Kolumne und Bücher-Rezensionen, bekannt als Lektury nadobowiązkowe, später Gazeta o Książkach. Die dort erschienenen Essays sind in mehreren Sammelbänden erschienen. Insgesamt veröffentlichte Szymborska dreizehn Gedichtbände. Postum erschien außerdem der Sammelband Es ist genug, 2012. Ihre Gedichte sind bisher in über vierzig Sprachen übersetzt. Sie selbst war als Übersetzerin hauptsächlich aus dem Deutschen und Französischen tätig. 1991 wurde sie mit dem Goethepreis ausgezeichnet, 1995 erhielt sie den Herder-Preis und den Ehrendoktortitel der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen.1996 gewann Wisława Szymborska den Preis des polnischen PEN-Clubs sowie den Nobelpreis für Literatur. 2011 wurde sie mit dem höchsten Ehrenzeichen der Dritten Republik Polens ausgezeichnet, dem Orden des Weißen Adlers. © Fotos: Women Poets; privat ****** Ilma Rakusa

[In den Pausen zwischen den Bäumen: Schnee] | [V prazninah med drevjem: sneg] | In den Pausen zwischen den Bäumen: Schnee in den Räumen zwischen den Worten: Schnee in den Mulden zwischen den Häusern: Schnee in den Gärten zwischen den Zäunen: Schnee und kalt in den Teichen zwischen den Kneipen: Schnee in den Löchern zwischen den Eichen: Schnee in den Träumen zwischen den Feldern: Schnee in den Tellern und Falten: Schnee
© Ein Strich durch alles. Neunzig Neunzeiler, Ffm. Suhrkamp Verlag , 1997
| V prazninah med drevjem: sneg v presledkih med besedami: sneg v kotanjah med hišami:sneg v vrtovih med ograjami: sneg in hlad v ribnikih med beznicami: sneg po jasah med hrasti: sneg v sanjah med njivami: sneg na krožnikih v gubah: sneg
© Slowenische Übersetzung: Ilma Rakusa & Kajetan Kovič | Ilma Rakusa, *1946 in Rimavská Sobota, Slowakei als Tochter einer Ungarin und eines Slowenen geboren. Frühe Kindheit in
Budapest, Ljubljana und Triest. Ab 1951 in der Schweiz nieder. Volksschule und Gymnasium in Zürich, 1964 Abitur. 1965-1971 Studium der Slawistik und Romanistik in Zürich, Paris und St. Petersburg. 1971 Promotion (Dissertation: Studien zum Motiv der Einsamkeit in der russischen Literatur, Herbert Lang Verlag, Bern 1973). 1971-1977 Assistentin am Slawistischen Institut der Universität Zürich. Ab 1977 Lehrbeauftragte der Universität Zürich. Daneben freiberuflich als Schriftstellerin, Übersetzerin und Publizistin (Neue Zürcher Zeitung, Die Zeit) tätig. Sie übersetzt aus dem Französischen, Russischen, Serbokroatischen und Ungarischen. Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (Darmstadt). Ilma Rakusa lebt in Zürich. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Werke (Auswahl): Wie Winter. Gedichte. Zürich, Edition Howeg, 1977; Die Insel. Erzählung. Frankfurt a. M., Suhrkamp Verlag,1982; Miramar. Erzählungen. Frankfurt a. M., Suhrkamp Verlag, 1986; Farbband und Randfigur. Vorlesungen zur Poetik. Graz, Droschl Verlag, 1994; Ein Strich durch alles. Neunzig Neunzeiler. Frankfurt a. M., Suhrkamp Verlag, 1997; Love after Love. Acht Abgesänge. Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag, 2001; Von Ketzern und Klassikern; Streifzüge durch die russische Literatur, Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag, 2003; Durch Schnee. Erzählungen und Prosaminiaturen. Mit einem Nachwort von Kathrin Röggla, Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag, 2006; Garten, Züge. Eine Erzählung und 10 Gedichte. Ottensheim, Edition Thanhäuser, 2006; Zur Sprache gehen. Dresdner Chamisso-Poetikvorlesungen 2005, Dresden, Thelem Universitätsverlag, 2006; Mehr Meer. Erinnerungspassagen, Graz, Droschl, 2009. Link:
www.ilmarakusa.info/
© Fotos: Giorgio von Arb (Porträt); Friedlinde Kazmeier (Ausschnitt - Schwäbische Alb) 10XII14 ******
Marion Poschmann

winterliche Anwendung mit Teelichtern
| zimná aplikácia s čajovými sviečkami | eine Zartheit befolgt, ein Herzklopfen, beinah Anordnung (Flageolett): ein versprengter Frost, ein Stanniol, das Aufblitzen in den Augen „wie sich diese unsteten Gegenden nach und nach lossagen von uns“
Imitate und Tarnungen, halber Aufenthalt wie auf fotokopiertem Schnee (die geheimen Verstecke: dein einzeln beschlagenes Brillenglas, ich bin anstandshalber bald wieder gegangen) und alle Berührungen fallengelassen: noch rasch an dich angelehnt
flackernde Orte, ein Herzklopfen voller Teelichter, leichte Bandagen: ich taste die Schuhe, die Schneeränder ab eine Zartheit befolgt, ein paar Fluchtpunkte sachte verschoben, ich habe die Fingerspitzen lackiert als wären sie winterfest
© Aus: Verschlossene Kammern. Gedichte Lüneburg: zu Klampen! Verlag, 2002
ISBN: 3933156769
| nasledujúc nežnosť, búšenie srdca, takmer nariadenie (flažolet): rozptýlený mráz, staniol, záblesk v očiach, „ako tie nestále krajiny od nás krok za krokom ustupujú“
imitácie a maskovania, polovičný pobyt ako na skopírovanom snehu (tajné úkryty: sklá tvojich okuliarov, každé zvlášť zahmlené, zo slušnosti som hneď zas odišla) a všetky dotyky som si odoprela: len som sa o teba ešte narýchlo oprela
blčiace miesta, búšenie srdca plné sviečok, ľahké obväzy: nahmatávam topánky, okraje snehu, nasledujúc nežnosť, zopár jemne posunutých úbežníkov, nalakovala som si špičky prstov, akoby boli mrazuvzdorné
Slowakische Übersetzung: Nóra Ružičková
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Marion Poschmann, *1969 in Essen, Deutschland wuchs in Mülheim an der Ruhr und in Essen auf. Von 1989 bis 1995 Studium der Germanistik, Philosophie und Slawistik in Bonn, ab 1992 in Berlin, 1994 außerdem Szenisches Schreiben an der Berliner Hochschule der Künste. 1997 bis 2003 unterrichtete sie Deutsch im Rahmen des deutsch-polnischen Grundschulprojekts Spotkanie heißt Begegnung. Sie lebt als freie Schriftstellerin in Berlin und ist Mitglied im P.E.N. Werkauswahl: Baden bei Gewitter – Roman, 2009: Verschlossene Kammern – Gedichte, 2002; Grund zu Schafen – Gedichte, 2004; Schwarzweißroman, 2005; Hundenovelle, 2008 (alle Frankfurter Verlagsanstalt); Geistersehen – Gedichte, 2010 Suhrkamp Verlag. Viele Stipendien und Preise, zuletzt Ernst-Meister-Preis für Lyrik. Fotos: Gerlach (Porträt); Kasal. 30XI14 ****** Andrés Sánchez Robayna

El Libro, tras la duna I
| | Das Buch, jenseits der Düne I | Ahora, en la mañana oscura del desceñido octubre, en que, umbroso y en calma, yace el mar entregado a la pura aquiescencia del cielo, al deslizarse de las nubes blancas que un gris ya casi mineral golpea, marmóreo, dilatado, ahora, mientras el tiempo gira a punto de ser siempre alumbramiento, sin dar a luz más que el instante cierto y siempre tembloroso, y damos vueltas en su vientre ciego, y entrega solamente un puñado de arena que vemos escurrirse entre las manos, mientras un niño juega, después de echar los dados, ahora, sólo ahora, el comienzo comienza.
© Andrés Sánchez Robayna Aus: El libro, tras la duna
Valencia: Editorial Pre-Textos, 2002
| | Jetzt, im dunklen Morgen des ungezügelten Oktober, in dem schattig und ruhig das Meer liegt, hin- gegeben der reinen Zustimmung des Himmels, dem Hingleiten der weißen Wolken, an die ein Grau stößt, fast schon mineralisch, marmorn, weithin, jetzt, während die Zeit kreist, nahe daran, immer Geburt zu sein, nichts als den Augenblick zur Welt zu bringen, den wahren und ständig zitternden, und wir uns drehen in ihrem blinden Leib, und sie nichts hergibt als eine Handvoll Sand, den wir rinnen sehen durch unsere Finger, während ein Kind spielt, nach seinem Würfelwurf, jetzt, erst jetzt, beginnt der Beginn.
Aus dem Spanischen von Elke Erb
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Andrés Sánchez Robayna, *1952 in Las Palmas /Spanien, ist Doktor der Hispanischen Sprachwissenschaft und seit 1995 Professor für Spanische Literatur an der Universität La Laguna/ Teneriffa. Er ist Vorstandsmitglied des Instituts für Kanarische Studien der Universität La Laguna und Präsident der Abteilung für Bibliographie ebendort. Er war Gründer der Zeitschriften Literradura - Barcelona, 1976 und Syntaxis - Teneriffa, 1983-93 und leitete verschiedene Verlagsreihen. Seit 1970 publiziert er zahlreiche Gedichtbände. Seine Lyrik wurde u.a. ins Englische, Französische, Deutsche und Italienische übertragen. Er lebt in Tegueste / Spanien. Bild: Paul P. und Katja S.
17X2014
****** Georg Trakl 
Grodek | Grodek | Am Abend tönen die herbstlichen Wälder Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen Und blauen Seen, darüber die Sonne Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht Sterbende Krieger, die wilde Klage Ihrer zerbrochenen Münder. Doch stille sammelt im Weidengrund Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt Das vergoßne Blut sich, mondne Kühle; Alle Straßen münden in schwarze Verwesung. Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sterne Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain, Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter; Und leise tönen im Rohr die dunklen Flöten des Herbstes. O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz, Die ungebornen Enkel. | Navečer znějí podzimní lesy smrtícími zbraněmí, zlaté roviny a modrá jezera, nad nimi se valí temnějí slunce; noc v objetí svírá umírající válečníky, divoký nářek jejich rozbitých úst. Však tiše kupí se ve vrbách rudá mračna, v nichž přebývá rozezlený Bůh, prolitá krev, mesíční chlad; všechny cesty ústí do černé zkázy. Pod zlatým větvovím noci a hvězd stín sestry blíží se mlčenlivým hájem pozdravit duchy hrdinů, krvácející hlavy; a tiše v rákosí znějí temné flétny podzimu. Ó hrdější smutku! vy oltáře z kovu, horoucí plamen ducha živí dnes mocná bolest, nenarození vnuci.
| Grodek ist ein Gedicht von Georg Trakl, das die Erinnerung an den gleichnamigen Ort Gródek in Ostgalizien (in der heutigen Ukraine: Horodok/Gorodok) wachhält: Es entstand nach der erbitterten Schlacht bei Gródek am 8. September 1914, in der die österreich-ungarische Armee gegen die schließlich siegreichen russischen Truppen kämpfte. Trakl war zum ersten Mal als Sanitäter eingesetzt. Die entsetzlichen Erlebnisse, vor allem aber der Rückzugsbefehl am 11.09.1914, ließ das Kämpfen und das Sterben der Soldaten vollkommen sinnlos erscheinen. Die vorliegende Fassung des Gedichts ist die zweite Version. Die erste ist nicht erhalten. Erstveröffentlichung, September 1914, in: Der Brenner. s. hier auch: Georg Trakl Tschechische Übersetzung, aus: Radek Malý: Držíce v drzých držkách cigarety. Malá antologie poezie německého expresionismu. Praha: BBart, 2007 vgl. auch die Übersetzung von Ludvík Kundera: Haló je tady vichr-vichřice! Expresionismus. Praha: Československý spisovatel, 1969. Foto: 1. Weltkrieg, 1918, Galerie Bilderwelt
****** Klaus Merz
Leoš Janáček Piano Sonata 1. X 1905, From The Street Die Brünner Mädchen | | The Brünner Girls | Aus den Alben geschnitten liegt die Kindheit verstreut auf dem Stubentisch. Zum Unvergessenen gesellt sich das stete Entgleiten.
Aufgehoben in Ivan Blatnys* späten Gedichten fahren wir mit ihm zum Friedhof hinaus die Brünner Mädchen winken wir grüßen zurück: Der Schwermut sich beugen und leicht werden dabei.
© Aus dem Staub
| | Snipped out of the albums, childhood scattered on the living room table. The constantly-fading-away accompanies the unforgotten.
Preserved in Ivan Blatny's late poems, we drive out to the cemetery with him. The Brünner girls wave: we greet them back.
To bow down to melancholia and become lightened on the way. Ins Englische übersetzt von Marc Vincenz:
www.asymptotejournal.com
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Klaus Merz, *1945 in Aarau, lebt in Unterkulm, Schweiz. Sein Werk umfasst über dreißig Gedicht- und Prosabände. Er hat Hörspiele und Drehbücher geschrieben und Texte für Zeitschriften verfasst. Sein letzter Roman Der Argentinier ist 2009 im Haymon Verlag erschienen, das Gedicht wurde dem Band Aus dem Staub (Haymon Verlag, 2010) entnommen. Merz wurde u.a. mit dem Hermann Hesse-Literaturpreis und 2012 mit dem Friedrich Hölderlin-Preis ausgezeichnet. * Zu Ivan Blatný: http://www.korrespondenzen.at/Pdf/Blatny/Ivan%20Blatny%20-%20Alte%20Wohnsitze.pdf. http://www.planetlyrik.de/ivan-blatny-landschaften-der-neuen-wiederholungen/2010/08/ 10VIII14
****** Helwig Brunner

Ein Lerchenaufschwung Pēteris VASKS: Streichquartett No. 4
| Vzlet škovránkov Pēteris VASKS: sláčikové kvarteto No. 4
| Ein Lerchenaufschwung intoniert, ein Firnis Landschaft vors Auge gemalt, eine Wolkenhelligkeit vorgeführt: unsere durchsichtigen Ränder sind schwer zu bestimmen, im wechselnden Lichtfall wechseln auch sie.
Wären die Richtungen klarer, wüssten wir vergeblich, was wogegen sich setzen ließe. So aber kann nur Fürsprache sein: für die Schritte in der Zeit, für die vorläufigen Ausdeutungen von Stimme zu Stimme,
Dinge von augenblicklichem Bestand, solange noch jemand das Vergessen lächelnd vor sich herträgt wie ein Gedächtnis.
© H.B., unveröffentlichtes Manuskript
| Vzlet škovránkov intonuje, Fermežová krajinka namaľovaná pred očami, Predvedená svetlosť oblakov: Naše priehľadné okraje Sa ťažko určujú, V meniacom sa svetle Sa menia aj oni.
Keby boli smery jasnejšie, Vedeli by sme zbytočne, Čo sa dá postaviť oproti čomu. Ale takto to môže byť len prihovorenie sa: Za kroky v čase, Za dočasné výklady, Hlasom k hlasu,
Veci v okamžitej existencii, Kým ešte niekto zabudnutie S úsmevom nesie so sebou Ako pamäť.
Slowakische Übersetzung: Svetlana Žuchová
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Der Österreicher Helwig Brunner, *1967 in Istanbul, hat Musik und Biologie studiert. Er lebt als Biologe und Autor in Graz, schreibt vor allem Lyrik, daneben Kurzprosa, Essays, Rezensionen sowie fach- und populärwissenschaftliche Texte. Helwig Brunner ist Mitherausgeber der Grazer Literaturzeitschrift Lichtungen und Herausgeber der Buchreihe keiper lyrik. Er ist Geschäftsführer eines ökologischen Planungsbüros und lebt in Graz, Steiermark. Werke: Gelebter Granit. Haiku, Senryu, Tanka. Graphikum, Göttingen 1991; Auf der Zunge das Fremde. Gedichte. Leykam, Graz 1996; Gehen, schauen, sagen. Gedichte. Steirische Verlagsgesellschaft, Graz 2002; Aufzug oder Treppe. Gedichte, Anagramme. Grasl, Baden bei Wien 2002; grazer partituren. Gedichte. Steirische Verlagsgesellschaft, Graz 2004; Rattengift. Erzählungen. Kitab, Klagenfurt 2006; Nachspiel. Roman. Kitab, Klagenfurt 2006; Die Zuckerfrau. Roman. Leykam, Graz 2008; Süßwasser weinen. Gedichte. Sonderzahl, Wien 2008; Schuberts Katze. Musikgedichte. Edition Thurnhof, Horn 2009; Vorläufige Tage. Gedichte. Leykam, Graz 2011; gemacht/gedicht/gefunden. über lyrik streiten. Droschl, Graz 2011 (gemeinsam mit Stefan Schmitzer); Die Sicht der Dinge. Rätselgedichte. edition keiper, Graz 2012; Die Kunst des Zwitscherns. Essays. Residenz, St. Pölten 2012 (gemeinsam mit Kathrin Passig und Franz Schuh). Website:
http://helwigbrunner.jimdo.com/ 12VI14
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Oleh Kozarew

ДВОБІЙ У ГОРИЗОНТАЛЬНИХ ПЛОЩИНАХ
| Zweikampf auf den horizontalen Flächen | Крапає теплий дощ на мозаїку, Де застигли в польоті з мечами Міцні й рішучі чоловіки. Одразу видно, що це той самий Драматичний двобій свободи і рабства, Якого вчить нас всесвітня історія, Обережно йдіть, не наступіть на героя! Та надходить вода, ледь сірувата, Мінить обриси, стяги й мечів барви, Історія – Помилилася, Мозаїку Ускладнено: Ваш вибір насправді – між рабом і дебілом, І в кожного, що характерно, свої переваги, Дебіл усміхатися краще вміє, А раб пристосованіший До марафонських дистанцій
© Oleh Kozarew
| Warmer Regen tropft auf das Mosaik, Darin starke und entschlossene Männer mit Schwertern reglos im Flug verharren. Sofort sieht man, dass es dieser Dramatische Zweikampf zwischen Freiheit und Sklaverei ist, Den uns die Weltgeschichte lehrt, Laufen Sie vorsichtig, treten Sie nicht auf den Helden! Dann kommt Wasser, leicht gräulich, Ändert die Formen, die Streifen, die Farben der Die Geschichte /Schwerter Hat sich geirrt, Das Mosaik Ist kompliziert geworden: Sie haben eigentlich die Wahl zwischen Sklave und Und jeder hat natürlich seine Vorteile, /Trottel Der Trottel kann schöner lächeln Und der Sklave ist besser angepasst An die Marathonstrecken.
Übersetzt von Claudia Dathe |
Oleh Kozarew, *1981 in der Ukraine, hat bisher eine Gedichtsammlung Das Kurze und das Lange veröffentlicht, für die er allerdings schon zwei wichtige ukrainische Literaturpreise, z. B. den des Verlags Smoloskyp im Jahr 2003, erhalten hat. Kozarews Gedichte wurden in sieben Sprachen übersetzt. Er lebt in Charkiw, Ukraine.
10IV12
****** Mario Wirz
Nächtlicher Törn | Noční plachtění | der Wind in deinem Traum bläht die Gardinen zum Segel reißt alle Dinge die wir gesammelt haben von ihrem Platz im furchtsamen Licht der Nachttischlampe suche ich vergeblich unsere Rettungswesten hohe Wellen schlagen über deinem Schlaf die Nacht auf die Seite des Mondes vielleicht wärest du lieber als Einhandsegler unterwegs unbeschwert von meinen Ängsten auch diese Frage werfe ich jetzt über Bord steige vorsichtig in deinen Traum und folge seinem Kurs das Meer das ich nicht gefragt habe in all den Jahren denkt sich in unserem Schlaf eine neue Geschichte aus © Aufbau Taschenbuchverlag Aus: Sieben Leben hat die Woche Erschienen: 2003, Aufbau Verlag | ten vítr ve tvém snu nadouvá záclony co plachty vše co jsme nastřádali zpřevrací v plachém světle stolní lampy marně hledám záchranné vesty vysoké vlny přes tvůj sen se valí noc na náměsíčné straně snad bylo by ti lépe plavit se samojediná neobtěžkaná mými strachy i tuto možnost nyní házím přes palubu vkrádám se opatrně do tvého snu a sleduju jeho kurs moře na něž jsem se nezeptal po celá léta vymýšlí v našem snu neznámý příběh © Preklad: Michal Kovar |
Mario Wirz, *1956 in Marburg an der Lahn, nach dem Abitur Schauspielausbildung in Berlin. Engagements als Schauspieler und Regisseur, Arbeit als Theaterautor bis 1987, diverse Uraufführungen. Seit 1988 freier Schriftsteller. 1991 Erster Preis des P.E.N.-Clubs Liechtenstein, 1997 Förderpreis des Landes Brandenburg. Zahlreiche Veröffentlichungen. Übersetzungen der Gedichte für Zeitschriften und Anthologien in Frankreich, Ungarn, Griechenland, den U.S.A., Polen und der Ukraine. Bereits 1984 wurde Wirz mit der positiven HIV-Diagnose konfrontiert. Fortan hat die Krankheit sein Leben, aber auch seine literarischen Texte geprägt: Es ist spät, ich kann nicht atmen. Ein nächtlicher Bericht, 1992 im Aufbau Verlag Berlin erschienen, hat für Aufsehen gesorgt, denn dieser Band brach mit Tabus und holte das Thema Aids in die Literatur. Über zwei Jahrzehnte schrieb er gegen seine Krankheit an, am 30. Mai 2013 starb er in Berlin.
26II14
****** Andriana Škunca

Kako sve brzo zaboravlja | | | | Wie schnell sie alles vergisst | Kako joj nečujno prolazi, majka namata vrijeme na štap, razvlači ga u hodu. Doziva iz raznih udaljenosti, provjerava, pita. I dok šeta, štap je ticalo kojim ispituje - gleda. Kako sve brzo zaboravlja, neprestano ponavlja isto: kako, kada, zašto? Sadašnjost protječe kroz nju kao nešto neprisutno. Sve čega se sjeća dolazi iz djetinjstva i nekih budućih predjela. O tome nam priča svagda isto. Kad se uspinje stubištem, vrijeme za njom zamata nevidljivi sag. Sa svake stube pita: - Jesi doli? - Jesi li dolika? Nikoga. Ništa. © Andriana Škunca Aus: Pomaci, tišine. Erschienen: 1981, Nakladni zavod Matice hrvatske | | | | Damit sie lautlos vergeht, wickelt die Mutter die Zeit um den Stock, dehnt sie beim Gehen. Ruft von nah und fern, prüft, fragt. Und während sie geht, ist der Stock ein Fühler, mit dem sie alles untersucht - schaut. Da sie alles schnell vergisst, wiederholt sie ständig dasselbe: Wann, wie, warum? Die Gegenwart fließt durch, als sie nicht da. Alles, woran sie sich erinnert, kommt aus der Kindheit und aus Bereichen des Künftigen. Davon erzählt sie uns immer dasselbe. Steigt sie die Treppe hinauf, rollt die Zeit hinter ihr einen unsichtbaren Teppich ein. Bei jeder Stufe fragt sie: Bist du da unten? Bist du unten? Niemand. Nichts. Aus dem Kroatischen von Matthias Jacob |
Andriana Škunca, *1944 in Bjelovar, stammt aus Novalja auf der Insel Pag, wo sie ihre Kindheit verbrachte und heute noch einen Teil des Jahres lebt. Studium der Jugoslawische Sprachen und Literaturen und der Literaturwissenschaft an der Philosophischen Fakultät der Universität Zagreb. Viele Veröffentlichungen und Preise. Ausstellungen ihrer Fotografien. – Škunca schreibt Literaturkritiken und poetische Notizen über bildende Künstler und arbeitet als Redakteurin der Bibliothek Kairos des Kroatischen Universitätsverlags / Hrvatska sveučilišna naklada und der Zeischrift Europski glasnik/Messager européen. Infos. lyrikline.org.
25II14
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Péter Zilahy
Egy angyal | | Der Engel | akkor jön hallani szárnysuhogását biztos mozdulatokkal húzza le a takarót már tizenkilenc éve hogy minden éjjel feldúlja az ágyam alaposan végigkutat végül a hátamra ül és töpreng rakosgatja hideg lábait ha megmozdulok elrepül ha elrepül megmozdulok Aus: Lepel alatt ugrásra kész szobor (Statue Under A White Sheet Ready To Jump) Erschienen: 1993, Pesti Szalon. © Peter Zilahy | | erscheint ich höre das Heranrauschen der Flügel mit geübtem Griff schlägt er die Decke zurück neunzehn Jahre geht es nun schon dass er jede Nacht mein Bett zerwühlt und mich sorgfältig untersucht schließlich setzt er sich auf meinen Rücken grübelt und ordnet seine kalten Beine bewege ich mich fliegt er davon fliegt er davon bewege ich mich © Übersetzung: Gerhard Falkner und Orsolya Kalász
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Péter Zilahy, ungarischer Prosa-Autor, Lyriker, Performer und Fotograf, *1970 in Budapest. Studium der Philosophie und Kulturwissenschaften. 1995–1998 Dozent an der BME–Universität, von 1997–1999 Chefredakteur des ungarisch-englischen Internet-Magazins Link Budapest, seit 1998 Herausgeber der International Series bei JAK-Books, einer internationalen Debütreihe (die u.a. Pelevin, Ian McEwan, Arnon Grunberg, Ingo Schulze, Jenny Erpenbeck und Kathrin Röggla verlegt). Auf Deutsch erschien 2004 sein Roman Die letzte Fenstergiraffe (Original: Az utolsó ablakzsiráf, 1998, Ab Ovo-Verlag), ein etwas anderes Alphabet über die europäischen Revolutionen, in der Übersetzung der Schriftstellerin Terézia Mora. 2008– 2009 war er Stadtschreiber von Graz. Zilahy lebt in Budapest.
09I14
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Jonáš Hájek
CZ Miska tekutého ohně: tak – přibližně – vypadal kulový blesk tehdá na chalupě. Na vteřinu jsme strnuli hrůzou a první krůpěj studeného potu perlila na čele.
A kulový blesk plul místností (i kolem košíků) tak krotce a ohleduplně, zvlá- dnuté ego mi zpětně připomíná ten jeho horký, klidný pohyb, zvládnuté ego při silvestrovských piškvorkách, no nevím. Tak náš milý blesk plul a plul a plul, říkal nám „v IKEA jsou nás tisíce“, až jsme pocítili lítost, že by mohl chtít pryč. Zmizet jak anonymní hacker zamilovaný do sousedky, vypařit se cestou hada, klikatě – zřejmě – jak rychlovlak vyslaný na průzkumnou dráhu (fujtajbl!) okolo hranic naší zahrady. © Jonáš Hájek. Audioproduktion: renshi.eu@ poesiefestival berlin 2012 | Tschechien
Eine Schüssel flüssigen Feuers: so – ungefähr – sah in dem Ferienhaus damals der Kugelblitz aus. Kurz waren wir starr vor Schreck und der erste eiskalte Schweißtropfen erschien auf der Stirn.
Und wie der Kugelblitz (sogar die Brotkörbchen umkreisend) so zahm und rücksichtsvoll durch den Raum schwamm, rief seine ruhige, heiße Bewegung mir im Geist das beherrschte Ego zurück, das be- herrschte Ego beim Silvester-Tic-Tac-Toe, na ja. So schwamm und schwamm unser lieber Blitz, uns „bei IKEA sind unser Tausende“ sagend, bis uns fast Wehmut beschlich, er würde vielleicht weg wollen. Verschwinden wie ein anonymer in die Nachbarin verknallter Hacker, abzischen auf Schlangenart, im Zickzack – offenbar – wie ein (pfui Teufel!) zu Spionagezwecken ringsum um unsere Gartengrenze herum geschickter D-Zug.
© Übersetzung aus dem Tschechischen von Christa Rothmeier
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Jonáš Hájek, *1984 in Prag, ist ein tschechischer Dichter und Musiker. Er hat Musik studiert, spielt Cello und gewann 2007 den Jiří Orten-Preis für seinen Gedichtband Suť. Er lebt in Prag.
22XII13
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Renáta Berkyová

So eine... rosa wie ein Rock vom Markt - doch zu groß und billig für die schmale Taille sagen die anderen.
Wie Pappeln entlang eines Flusses und die Stille summt im Wind ihr Lied über Liebe und Unschuld.
Quirlig und glitzernd ein See am Morgen, der ein Zeichen in den Augen hinterlässt, dass sie etwas wert war.
Wie eine trockene Scheibe Brot, wenn du nichts hast, ein wehmütiges Lied. Wenn du nichts mehr weißt...
Rosa (wie Träume) ist die Zigeunerseele. | Taká ...
ružová ako sukňa z tržnice - vraj priveľká a lacná do štíhleho drieku v očiach iných.
Ako topole, čo lemujú rieku a ticho šumia vo vetre tú svoju o láske a nevinných.
Nestála a ligotavá hladina jazera z rána, čo necháva v očiach znamenie, že za niečo stála.
Ako suchý krajec chleba, keď niet čo, clivá pieseň, keď nie je kam...
Ružová (ako sny) je cigánska duša. |
Renáta Berkyová, *1985 in Rimavská Sobota, Slowakei studiert Roma-Studien an der Karlsuniversität Prag und arbeitet momentan bei der Stiftung OSF. Dank des Milena Hübschmannová-Preises 2006 wurden ihre Gedichte bekannt; sie wird regelmäßig zu Lesungen und Festivals zeitgenössischer Poesie eingeladen.
Veröffentlichungen u.a.: Steklá, Radka – Balážová, Jarmila (Hrsg.): To nej – z Literární ceny Mileny Hübschmannové, Romea, Praha 2007. Sammelband der mit dem Milena Hübschmannová-Preis ausgezeichneten Werke. Rozsvieť / Mach das Licht an, in: Plav 11/2011 mit Pavla Cicková Brišind, in: Otcův duch a jiné pohádky romských autorů, Kher, Praha 2012 © Veronika Patočková (Hrsg.): Roma-Autoren erzählen... Kurzgeschichten und Gedichte aus Ungarn, Tschechien und der Slowakei, 154 S., brosch., Roma Trial e.V., Berlin 2013, 4,00 Euro, ISBN: 978-3-00-043704-5 oder bestellen über: www.romatrial.org. Bild: Marie Kasal. s. auch: Termine im November 2013 07XI13
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Katarína Kucbelová

raz prestanem dýchať | einmal höre ich auf zu atmen | potreba ísť za hranicu
prítomnosti logiky sily pochopiť
stále prítomná túžba po úplnom vyčerpaní konflikte
rastie paralelne priamo úmerne dávka sily potrebná na prežitie ktorého nemusím byť svedkom len súčasťou prežiť konflikt látkovú premenu vyjsť v inej forme | das bedürfnis hinter die grenzen zu gehen von gegenwart logik verstandeskraft das immerwährende verlangen nach vollkommener erschöpfung nach konflikt wächst parallel direkt proportional genau die dosis kraft die nötig ist fürs überleben
dessen zeuge ich nicht sein muss lediglich bestandteil den konflikt überstehen die stoffe sich wechseln lassen herauskommen in veränderter form |
© Katarína Kucbelová, Übersetung aus dem Slowakischen: Clemens Franke; Foto: Katja Schickel Katarína Kucbelová, *30.11.1978, Banská Bystrica, Slowakei, lebt in Bratislava. Sie veröffentlichte mehrere Gedichtbände:Duály (2003) und Šport (2006). Eine Auswahl ihrer Gedichte findet sich auch in A Fine Line, The Arc Antology of New Poetry from Eastern and Central Europe (2004) und in Slowakische Anthologie (2006) sowie in verschiedenen anderen Zeitschriften und Anthologien in der Slowakei, im Ausland und unter .lyrikonline.org. Sie arbeitet als Kulturmanagerin und organisiert den Literaturpreis Anasoft literasowie das internationale Literaturfestival Ars litera in Bratislava.Das hier ausgewählte Gedicht, in der Übersetzung von Clemens Franke, fanden wir bei www.novinki.de
03X13
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Petr Borkovec

Doma Západ. Keř po keři plál. Vždy jeden tón. Vysoký. Podrážděný. Vzduch kolem silnice. Sytý jak stěny. Hrušně se leskly. Stál jsem. Pak tma jako fistule trnula nad krajinou, vylétl reflektor, bleskové kino: osiky byly jak z alpaky. Silnice – černé vlny, profily a desky, a promítání černobílé humoresky, nic nechci, jen se dívat, dívat, dívat, stržen – ale jen jako divák. Ztratit se věcem, ztratit věci. Ztratit se krajině, ztratit krajinu. Psát oči. | | Daheim Sonnenuntergang. Strauch um Strauch entflammt. Immer nur ein Ton. Hoch. Aufgebracht. Die Luft entlang der Straße. Dicht wie eine Wand. Die Birnbäume glänzten. Ich stand da. Dann, starr wie eine Fistelstimme hing Finsternis über dem Land, das Licht eines Scheinwerfers flog empor, ein Kino aus Blitzen, die Espen waren wie aus Alpaka. Die Straße – schwarze Wellen, Profile und Platten, eine Stummfilmgroteske in Schwarz-Weiß, ich will nichts, nur schauen, schauen, schauen, hingerissen – doch wie ein Zuseher nur. Sich an die Dinge verlieren, die Dinge verlieren. Sich an die Landschaft verlieren, die Landschaft verlieren. Augen schreiben | | | |
Aus: Petr Borkovec, Feldarbeit. Gedichte. Zweisprachig. Aus dem Tschechischen von Christa Rothmeier. Erschienen: 2001, Edition Korrespondenzen 09IX13
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