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HG Adler - Seine Romane

Eine Reise - Panorama - Die unsichtbare  Wand

 

Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben auch

von  Katja Schickel 

 

HG Adler schrieb auf den letzten Seiten des 1955 erstmals publizierten Buches Theresienstadt - Antlitz einer Zwangsgemeinschaft, „dass Theresienstadt ein Ort in dieser Welt ist, die unser aller Welt ist, dass sich hier eine Geschichte vollzogen hat, die unser aller Geschichte sein kann und zum Teil auch ist. Theresienstadt ist freilich nur ein Name, der vielen wie eine ferne Sage klingen mag. Aber es ist unser aller Sage. Das Unheil, das diese Geschichte zum Ende trieb, ist nicht zu seinem Ende gelangt, weder für die Juden noch für andere Völker. Hier und in anderen Lagern, in Deutschland und in anderen Ländern wurden Überlebende aus ihren Zwingern entlassen, doch andere Lager bestehen, wo unsere Nächsten geknechtet werden, und Lager bedrohen Menschen in vielen Ländern, und wo man die Menschen erniedrigt und zerschunden entließ, wurden sie oft nicht wirklich befreit, denn sie sind schon wieder in Zwinger gesperrt. […] Theresienstadt ist möglich geblieben. Es kann in größtem Ausmaß verhängt werden, und nicht nur Juden, die in der allgemeinen Leidensgeschichte der Menschheit so oft als Vorboten und besonders Ausgelieferte auftreten müssen, dürften die künftigen Opfer sein. Nicht als Experiment, doch als Menetekel steht Theresienstadt da, und es verlockt viel mehr, als noch der Abscheu vor dem Grauen sich eingestehen will. Die dort verwirklichten Institutionen und Zustände könnte ein Ahnungsloser noch heute für phantastisch und romanhaft halten, aber es ist wichtig zu bedenken, dass sie wahr werden können und warum das geschehen ist.“ (S.684)

 

Diese Sätze haben ihren Wahrheitsgehalt und ihre Virulenz nicht verloren, sie waren bloß - als sie aufgeschrieben wurden -  vermutlich noch unerwünschter als sie es heute sind.

Ein Antiquar hatte mir, der ewig klammen Schülerin, das Buch in die Hand gedrückt: Ich erinnere mich, dass mich die ersten Zeilen von Eine Reise sofort in den Bann gezogen hatten, sie beschrieben die beiden Antipoden: Willkür und Ohnmacht: „Niemand hat euch gefragt, es wurde bestimmt. Man hat euch zusammengetrieben und keine lieben Worte gesagt. Viele von euch haben versucht, einen Sinn zu finden, so wart ihr es selbst, die fragen wollten,“ aber keine Antwort erhielten auf die Verbote, nur die plötzlichen Eingriffe ins persönliche Leben wahrnehmen mussten, die bereits Zeichen der Auslöschung eigener Individualität beinhalteten. Dagegen rebellierte ich doch auch. Das Exemplar aus dem Antiquariat ist längst verschollen. Aber vor zwei Jahen hatte ich Gelegenheit, mich nochmals mit dem Werk HG Adlers zu beschäftigen.

Da geht einer, Paul, auf eine Reise, die er nicht initiiert und nicht gewollt hat, die ihm und seiner Familie aufgezwungen wird. Als erstes verliert sie ihren Namen, Lustig, an der Hauswand, an der Wohnungstür, Zeichen, dass sie nicht mehr existent sein sollen und dürfen. Alle Verlautbarungen und Befehle zielen nicht bloß auf Verlust von Rechten, auf Ausgrenzung hin, was schlimm genug wäre, sondern tatsächlich auf Unsichtbarkeit, Zerstörung und Auslöschung ab. Alles, was ihr bisheriges Leben ausgemacht hat, ist von einem Tag auf den anderen nicht mehr wichtig. Es gibt keine Sicherheiten und Gewissheiten mehr, alles erscheint mit einem Mal fremd und fraglich. Wie dreht sich die Erde, dreht sie sich noch, wie wir es gelernt haben, vielleicht doch in eine andere Richtung und wenn, in welche, eine Frage übrigens, die Franz Kafka bereits in einem Brief an Milena Jesenská formuliert hatte. Aus normalen Leben werden fragwürdige Existenzen, die keine Berechtigung auf Antworten haben, die eingespannt werden in ein System, zerdehnt, zerrissen, zerdrückt und jeder gängigen Perspektive beraubt. Subjekt wird übrigens schnell zum erniedrigenden Schimpfwort, wie heutzutage in jugendlichen Kreisen das Wort Opfer.


 HG Adler erzählt immer im Präsens, seine Sätze sind kurz, oft nur durch Kommata getrennt. Niemand wird eingelullt mit dem märchenhaften „Es war einmal“ - nein, wenn man sich in dieses Buch hinein begibt, kommt man nicht mehr so schnell heraus, es gibt keine Hintertüren mehr, keine intellektuellen Konstrukte, keine Verdrängung. Es ist die schiere existenzielle Gewalt, die sich da Bahn bricht, die einen atemlos werden lässt wie den Erzähler, der sich und die Seinen ja einfach nur retten will. Dieses Atemlose folgt einer ständig gegenläufigen Bewegung: vorwärts wollen, den Ereignissen hinterher, von ihnen am liebsten weglaufen, ja, vielleicht einfach nur abhauen wollen. Diese Entscheidungsfreiheit gibt es jedoch nicht. Das einzige Hilfsmittel ist eine Sprache der ironischen Übertreibung, die Anklage wie vermutlich gleichermaßen auch Schutzmechanismus ist. Es ist eine Reise, wie manchmal zu recht, manchmal euphemistisch gesagt wird, aus der man als eine andere Person wiederkehrt. Diese Reise ist eine in die Erinnerung und durch sie hindurch und eine, die nie wirklich zu Ende ist, wenn man sie überlebt hat.

Wir begegnen Paul in Augenblicken , die plötzlich grenzenlos scheinen, durch die er aber hindurch muss; er wird wie ein Kind, das noch keine Worte und Begriffe hat für das, was geschieht, das besondere Gift jedoch aufnimmt in jede Pore seines Körpers und begreift, was HG Adler bereits in seinem Roman Panorama beschreibt: Der kleine Josef erfährt die Umbrüche, die der 1.Weltkrieg verursacht, die Entfremdung der Eltern, die Krankheit seiner Mutter, die Beschimpfungen als „deutscher Jude“ hautnah; ungefiltert lösen sie bei dem Kind Angst und eine frühe Erkenntnis von Ausgegrenztsein aus, die es zunächst natürlich nicht benennen kann, die ihm aber als Gefühl des Fremdseins zeitlebens innewohnen wird. In Eine Reise sind alle Koordinaten, die Meridiane verrutscht, sie sind nicht wirklich verschwunden, aber werden jetzt anders kodiert; was man einmal benennen konnte und eine gewisse Gültigkeit zu haben schien, ist nicht mehr hilfreich, weil unbrauchbar geworden. Es ist eine reale Welt, in der die Familie plötzlich leben muss, aber sie hat alle bisherigen Bezugspunkte verloren. Alles ist im wortwörtlichen Sinn: ver-rückt. Es ist der reine Wahnsinn – und genauso beschreibt HG Adler diese Welt. Sie ist nicht irreal oder surreal, sie ist eine von Anmaßung und Schrecken des national-sozialistischen Terrors geprägte. Das buchstäblich Namenlose dieser alltäglichen Tortur erhält bei HG Adler immer Stimmen: „Niemand erhört euch, schon darum ist es weise eingerichtet, dass man mit euch nicht sprechen darf. So wie die Besitzer in ihren Häusern sich von euch absondern, so hat man euch abgesondert und es wahr gemacht, dass ihr nicht mehr in Häusern sein dürft nach eurem eigenen Wunsch und dasss ihr nicht mehr wohnen dürft. Abfall seid ihr, den man nicht zwischen Stühlen und Schränken verwahrt. Abfall vermischt sich mit Abfall und Sünde mit Sünde, alles ist ein ekelhafter Brei, nur gut für Gewürm, das seine Verwesung befördert. Man hat euch den Abschied gegeben und die Hände über euch gerungen, doch nicht gewinkt, nein, in Abwehr hat man euch die Hände entgegengehalten. Man hat sich die Seelen von euch in Schuldwasser gewaschen, als man euch auslud, und die Türen vor euch verschlossen, dass sie bellend ins Schloss schnappten, denn es wurde befohlen, nicht nach euch sich umzuschauen; empfindsame Mütter gingen noch weiter als jedes Gebot, sie schlossen sorgsam die Fenster und zogen die Vorhänge vor, damit euch die Kindlein nich sähen, wenn ihr vorüberzogt. Die Kindlein könnten zu jäh erschrecken, wenn euer Anblick sie unvorbereitet verletzte. (S. 91)

 

HG Adler war einer der ersten Überlebenden der Shoah, der gleich nach dem 2.Weltkrieg über seine Erlebnisse schrieb. Er tat dies in außergewöhnlicher Art als Wissenschaftler: u.a.in dem zwischen 1945 und 1948 entstandenen wegweisenden Buch Theresienstadt – Antlitz einer Zwangsgemeinschaft, 1955 erschienen, 1958 mit dem Leo Baeck-Preis und später von W.G. Sebald in seinem Werk Austerlitz gewürdigt, mit Der verwaltete Mensch. Studien zur Deportation der Juden in Deutschland in einer so großartigen Weise, die man bis dahin im deutschsprachigen Raum gar nicht kannte, nämlich in hohem Maße interdisziplinär und auf ebensolchem stilistischen Niveau. Er hat nicht nur die Rolle der unterschiedlichen Verwaltungen beschrieben, die die Vernichtungspolitik erst möglich machten, er hat auch als Erster Psychogramme der Täter erstellt und die Opfer sichtbar gemacht (Schicksale aus den Akten, Familiengeschichten), die erst sehr viel später, z.B. von Kempowski als Archiv des Gedenkens wahrgenommen und als Stilmittel benutzt worden sind. HG Adler war aber auch Künstler, Dichter, Schriftsteller, der sich in jedem seiner Bücher der Frage nach der Darstellbarkeit und Kommunizierbarkeit der Realtität des Nationalsozialmus, der Vernichtungslager zu stellen versuchte. Er nannte seine Werke immer „von Autobiographischem gesättigt“, eine Entblößung waren sie nie.

Am 2. Juli 1910 als Sohn assimilierter jüdischer Eltern in Prag (wie brüchig diese Assimilation wirklich war, beschreibt er selbst in Panorama) geboren, nach Aufenthalten auf dem Land und in einem „ der Kasten“ genannten, deutschnationalen Internat bei Dresden, das er selbst später seine erste Konzentrationslager-Erfahrung nannte, studierte und promovierte er an der deutschen Universität in Prag. Er arbeitete für das Kulturhaus Urania, weitere Karrierebestrebungen wurden allerdings mit dem Münchner Abkommen 1938, der deutschen Okkupation der gesamten Tschechoslowakei 1939 zunichte gemacht. Bevor er mit seiner Frau, der Ärztin Gertrud Klepetar und seinen Schwiegereltern 1942 nach Theresienstadt kam, verpflichtete man ihn zur Zwangsarbeit.

1944 wurden sie nach Auschwitz deportiert, seine Frau wollte ihre Mutter nicht alleine lassen und ging mit ihr in die Gaskammer. Nach Transporten in diverse Nebenlager von Buchenwald, in denen er wieder Zwangsarbeiter war, wurde er in Langenstein bei Halberstadt befreit.

In Eine Reise beschreibt HG Adler es so: „Alles ist auf der Flucht und fährt, weil es nicht sein kann[...] Wenn noch jemand herum läuft, ist es ein Irrtum […] Das Auge forscht noch einmal, und da entdeckt es Namen bei den Händen. Wege waren einst gemeint. Doch es gibt keine Wege. Die Namen sagen nichts, sie sind verblasst, die Farbe ist den Namen ausgegangen, von den Händen sind sie abgetrennt, nur staubbedeckte Stümpfe.[...] Die Namen sind vertauscht und finden ihre Besitzer nicht mehr. Aber es gibt auch keine Besitzer, es gibt nur Irgendwelche, das sind nicht Namen und nicht Hände, Gestalten sind es, die niemandem gehören und zwischen den Händen und Namen schleichen, als wollten sie dorthin; doch sieht das Auge keine Richtung für sie vorgeschlagen. […] Jeder Irgendwelche scheint in gleicher Lage. Vielleicht weiß er, dass er hier noch nie gewesen ist, als er noch nicht so verwandelt war. Damals war er bestimmt woanders, aber er kann sich nicht daran erinnern, er kennt den Namen nicht und nicht die Richtung […] Er will zu jemandem gehören. Es ist ein Ort, doch dort wird niemand sein. Gibt es nicht andere Namen, die man einmal kannte? Hier sind sie nicht zu finden. […] Keine Eisenbahn fährt in diesem verlorenen Land. Nur die Geleise schleichen sich hin, verödet schlafen sie auf verschimmelten Schwellen. […] Die Bahn ist dem Verfall ausgeliefert ohne Wärter, doch vielleicht endet die Strecke trotzdem nicht in der Mitte der zerstörten Gräberfelder, sondern an einem Ort, den es noch gibt.“


Die deutsche Editionsgeschichte seiner Werke ist ein ziemlich entwürdigendes Kapitel von Scheinheiligkeit, Ignoranz und Verdrängung obendrein, keine Sternstunde eines Neuanfangs, eher eine Verschwörung des (Ver-)Schweigens, worauf Jeremy Adler, selbst Germanist und Schriftsteller, der alle bisher herausgegebenen Werke seines Vaters mit Vor- oder Nachworten begleitet hat, die allesamt auf diskrete, aber erhellende Weise Einblicke in das Leben und Denken HG Adlers geben und kluge Analysen der Zeitgeschichte mit einfließen lassen, hingewiesen hat. Dem einen Verleger war die Zeit noch nicht reif genug für die Wahrheit, die man dem deutschen Volk nicht zumuten könne, ein anderer wollte sie nur in Portionshäppchen drucken. Vermutlich ist HG Adler in seinem Widerstand gegen all diese Vorschläge auch der Artur Landau aus Die unsichtbare Wand. Er will ernst genommen werden, er hat Angst vor bloßer Konsumierbarkeit. Er will nicht für wohlfeile Vergangenheitsbewältigung und Betroffenheitsrituale herhalten. Wahrscheinlich hat man ihm das verübelt. In Panorama zieht er ein erstes, für uns alle nicht sehr angenehmes Resumee: Da sind die frühen Erfahrungen der Ausgrenzung, die damit einher gehende Einsamkeit, die ihn sein eigenes Überleben als Voraussetzung erscheinen lassen. Aber er sucht nach der Überwindung des Fragmentarischen, das er in diesem Buch beschrieben hat, nach einem Buberschen „Du“, der anderen Person, mit der sich eine neue Sicht der Welt entdecken ließe, einer Empathie als Garant von gemeinsamen Lebens-Erfahrungen. Immer geht es ihm um die Überwindung von Grenzen, die er als willkürlich gezogene sieht. Fast prophetisch schreibt er aber auch, dass es keine Sprache für die Opfer gäbe, die andere verstehen könnten oder wollten, dass lediglich zur Tagesordnung übergegangen würde, als sei nichts geschehen, als sei alles eine gemeine Lüge, eine Erfindung böswilliger Menschen. Er sieht die Entschuldigungen voraus, die sich bis heute gehalten haben. (Ein anderer notierte: Man wird den Juden Auschwitz nie verzeihen!). Als Autor der oben bereits erwähnten wissenschaftlichen Bücher war Adler durchaus erfolgreich. Als Schriftsteller hatte er immer Probleme. Kein Verleger jener Jahre hat wirklich dauerhaft hinter ihm gestanden, ihn gefördert, ein Publikum auf ihn aufmerksam gemacht.

1968 wurde Eine Reise nochmals aufgelegt: wenig Werbung, wenig Resonanz. Das liegt aber nicht, wie Jeremy Adler meint, daran, dass Adler zu alt, zu wenig experimentell und deshalb den 68ern suspekt war. Wie gesagt, mein Antiquar hat mir das Buch Anfang der 70er Jahre in die Hand gedrückt: Vergegenwärtigen wir uns also noch einmal die Zeit. Nach dem Auschwitz-Prozess, der eigentlich im Wesentlichen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, gab es einige Publikationen, die später sogar Zugang in die Schulen fanden: Kogon, Amery, Dahrendorf, Mitscherlich, marxistische Analysen, Siegfried Lenz` Deutschstunde. USASASS war ein Schlachtruf, den man analysierte und/oder skandierte, Stalingrad war die Metapher für den verlorenen Krieg, mit dem Großväter und Väter nervten (wie hatte man bei diesem Millionenaufgebot eigentlich diese Schlacht verlieren können?), auf der anderen Seite hatte niemand gewusst, was überhaupt darüber hinaus geschehen war, klar war nur: Die Deutschen waren nicht schuld. Es war über sie gekommen. Sie hatten nichts gewusst.Das war das Klima. Man begegnete Freunden, die plötzlich Wehrmachtsmäntel und -stiefel trugen und behaupteten, sie wollten damit ihre Eltern herausfordern und erschrecken (auf welchen Speichern, in welchen Kleiderschränken hingen die denn immer noch?), einer fuchtelte sogar mit einer Pistole herum – die Jugend hatte spärliche Informationen über die Opfer, sie waren ja alle tot, nicht mehr zugänglich. Sechs Millionen. Da sind Einzelne nicht sichtbar. Man wollte wissen, was die Eltern und Großeltern getan hatten, eine sehr diffuse Rebellion war das, aber eine mit durchaus moralischem Ernst und dem Bedürfnis, das Geschehene zu begreifen, greifbar und angreifbar zu machen. Man hatte Bilder gesehen, die Aussagen der Überlebenden gehört oder gelesen und wollte sie in Beziehung setzen zu den eigenen Eltern. Über diesen Kampf sind die tatsächlichen Opfer, aber vor allem die Überlebenden (teilweise) vergessen worden. Über die wurde überhaupt erstmals vermehrt Mitte der 70er Jahre gesprochen, das hatte u.a. mit der linken und der Frauenbewegung zu tun, (Bucher von Klüger, Deutschkron, Stern, Rose Ausländer wurden verlegt) es gab einen Band von Jürgen Serke: Die verbrannten Dichter, Edgar Hilsenrath stellte sein erstes Buch Der Nazi und der Friseur vor– und eine TV-Serie namens Holocaust brachte ein Millionenpublikum vor die Fernsehschirme.

Eine breite, öffentliche Auseinandersetzung, die die Opfer mit einbezog, fand jedoch erst in den 80er Jahren statt, ausgelöst vor allem durch die Überlebenden selbst, die über ihre Erfahrungen geschrieben hatten und oft erst ins Deutsche übersetzt werden mussten oder nach Deutschland zurückgekehrt waren. Dass HG Adler, der in London lebte, also einerseits vermutlich in einer gewissen selbst gewählten Distanz, andererseits aber interessiert war, was sich auf dem Kontinent abspielte, in dieser Situation nicht reüssieren konnte, liegt vor allem an seinen damaligen Verlegern. Erst Serke hat ihn für sein Buch Böhmische Dörfer wieder entdeckt und Interesse an ihm geweckt.

Aber Vorsicht: noch Anfang der 90er Jahre beteuerte ein renommierter Professor der Erziehungswissenschaften aus Berlin und Alt-Achtundsechziger im Brustton der Überzeugung und immer noch bar jeden Wissens: Wir hätten uns doch niemals wie Schlachtvieh in die Gaskammern treiben lassen. Eine Studie belegte außerdem, dass die meisten jungen Menschen die eigenen Eltern und Großeltern eigentlich vor allem als Widerstandskämpfer, nicht als Hitler-Anhänger, Nationalsozialisten, Profiteure und Handlanger sahen: So viele Juden, wie da durch die Tatkraft von deutschen 'Deutschen' gerettet worden sein sollen, hat es in Deutschland allerdings zu keiner Zeit gegeben.                    

 

s.a. hier: Geburtstag HG Adler - das Video aus der Reihe Zeugen des Jahrhunderts mussten wir nach ein paar Tagen wieder heraus nehmen, weil das ZDF Kulanzgründe nicht mehr gelten lassen wollte, stattdessen mehrere Hundert Euro forderte, die wir nicht haben; HG Adler über die Prager Schule und ihre Dichtung, erschienen im Arco-Verlag.

 

 

 

 

 

 

 

© Katja Schickel/www.letnapark-prager-kleine-seiten.com

 

 


 


 

 

 


 


 


 


 


 


 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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