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Der diskrete Krieg und unser Lifestyle

Zum Welternährungstag am 16.10.2011

Zusammenstellung von Katja Schickel 

 

Mit dem Slogan Erträge ernten, von Knappheit profitieren! lockt die Finanzbranche Großspekulanten und Privatanleger in Agrarfonds Jeder kann dabei sein, wenn es darum geht, Kapital aus steigenden Agrarpreisen zu schlagen. „Wie die Heuschrecken auf Saatkörner, so stürzen sich Investoren in die Spekulation mit Nahrungsmitteln“, stellte Börsenexperte Dirk Müller am 10.10.2011 bei der Vorstellung einer Studie fest, die er im Auftrag des katholischen Hilfswerks Misereor erstellt hat. Spekulation, so Müllers Fazit, sei „ein Treiber schwankender und stark steigender Preise für Mais und Weizen“ – und damit Ursache des Hungers von Millionen Menschen.
Für Müller gibt es „keinen einzigen volkswirtschaftlichen oder gar humanitären Grund, dass private Investoren sich virtuell Weizensäcke ins Depot legen und damit eine künstliche Nachfrage schaffen“. So sei zum Beispiel im Mai mit 350 Millionen Tonnen Weizen allein am Handelsplatz Chicago mehr als die Hälfte der globalen Weizenproduktion dieses Jahres virtuell bewegt worden, sagte Müller.
„Pervers“ nannte es der als Mister Dax bekannte Finanzexperte, dass Banken nicht nur mit Derivaten auf Rohstoffe handeln, sondern zunehmend auch Nahrungsmittel in Lagerhäuser horten. Sie entziehen dem Markt damit Bestände, sorgen für Knappheit und warten, bis die Ware bei gestiegenen Preisen profitabel losgeschlagen werden kann.
In den Augen von Benjamin Luig, Agrarexperte von Misereor, ist es eine geradezu paradoxe Entwicklung, dass die Zahl der hungernden Menschen trotz höherer Investitionen in die globale Landwirtschaft steigt und mittlerweile nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO bei etwa 950 Millionen liegt.
Müller und Misereor forderten deshalb anlässlich des Welternährungstages am 16. Oktober schärfere Regeln, um die exzessive Spekulation mit Nahrung einzudämmen. Eine Anhebung der Sicherheitsleistungen (Margin) wäre sinnvoll. Zurzeit müssten Investoren bei Geschäften mit Weizen nur fünf bis sieben Prozent Eigenkapital hinterlegen, der Rest komme als Kredit von der Bank. Dass eine Anhebung der Margin bereits um wenige Prozentpunkte Wirkung zeige, habe zuletzt der Silbermarkt im Mai gezeigt. Nachdem die Margin von fünf auf elf Prozent gestiegen war, fiel der Silberpreis um fast ein Drittel, erklärte Müller.
Auch Preisgrenzen könnten extreme Schwankungen verhindern. Besonders sensible Waren wie Mais und Weizen sollten nach Ansicht von Müller zudem überhaupt nicht in Fonds gehandelt werden dürfen. Mit Blick auf das anstehende Treffen der G20 Finanzminister und die Sitzung des UN-Komitees für Ernährungssicherung forderte Misereor-Experte Luig die Bundesregierung auf, sich für mehr Regulierung und Transparenz einzusetzen.
Kriegerische Landnahmen sind teuer und schmutzig, also geht man den diskreteren Weg. Dringenden Handlungsbedarf sieht Misereor daher beim wachsenden Problem der Spekulation mit Agrarflächen. Internationale Konzerne, aber auch Staaten würden sich in großem Stil Agrarflächen in Afrika sichern, um dort meist Lebensmittel für den Export anzubauen, sagte Luig. Die Äcker würden der lokalen Landwirtschaft entzogen, den Kleinbauern die Existenzgrundlage geraubt. Die Bundesregierung, so Misereor, solle sich deshalb für starke FAO-Leitlinien zur Landpolitik einsetzen.
Das Landgrabbing in Entwicklungsländern hatten kürzlich auch das Hilfswerk Brot für die Welt und die Menschenrechtsorganisation Fian gemeinsam angeprangert. Sie forderten die Bestrafung von Regierungen und Firmen, deren Handeln das Recht auf Nahrung einschränkt. Dazu müssten international und national die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Bis dahin sei es wichtig, die Namen der Verantwortlichen klar zu nennen. (dpa)

 

 

Was haben Handys mit Gorillas zu tun und kongolesische Rebellen mit Playstation und Notebook?

 

Coltan, ein begehrtes Roherz, ist heutzutage wichtiges Baumaterial für die meisten elektronischen Geräte. Kein Flugzeug fliegt ohne das aus ihm gewonnene Tantal, kein Bordcomputer rechnet, kein Mauszeiger bewegt sich, kein Handy klingelt ohne es.
Was den meisten Nutzern jedoch nicht klar ist: Der Kampf um den Rohstoff Coltan hat in Afrika verheerende Folgen, für Mensch und Tier gleichermaßen. Denn hier, im tiefsten Regenwald an der Grenze zwischen dem Kongo, Ruanda und Uganda, lagern die weltweit größten Ressourcen des Roherzes.
Die politischen Machthaber in Zentralafrika führen Kriege um Coltan, und finanzieren sie gleichzeitig damit. Dabei werden weltweit pro Jahr nur wenige Tausend Tonnen verbraucht. Erst seit den 1950er Jahren wird Coltan überhaupt genutzt. Doch schon jetzt ist klar, dass die knappen Ressourcen dieses Rohstoffs schon bald wieder zur Neige gehen.

Seitdem Mikroelektronik mit Internet, PCs und Mobiltelefonen zu einem Massenprodukt wurde, hat die wirtschaftliche Bedeutung des Coltan enorm zugenommen. Denn die in ihm enthaltenen Metalle Tantal und Niob erwiesen sich aufgrund ihrer spezifischen chemischen Eigenschaften als wichtige Baumaterialien für elektrische Kondensatoren, die in nahezu allen elektronischen Geräten gebraucht werden.
Vor allem Tantal gilt als kostbares Metall. Mit einem enorm hohen Schmelzpunkt von 2.996 Grad Celsius und einem Siedepunkt von 5.429 Grad Celsius ist es eines der temperaturbeständigsten Metalle überhaupt. Ebenso ist es eines der am wenigsten reaktiven Elemente. Bei Zimmertemperatur widersteht es selbst Säuren und Basen, erst ab 150 Grad wird es von diesen angegriffen.
Wegen dieser Beständigkeit konnte das Tantal zwar erst verhältnismäßig spät industriell genutzt werden, dafür gehört es heute aber in verschiedenen Industriebereichen zu einem der gefragtesten Metalle. Weil es chemisch so stabil und kaum von Korrosion gefährdet ist, kommt es in der Medizintechnik und bei medizinischen Implantaten zum Einsatz. So werden Knochennägel, Prothesen oder Kieferschrauben für Zahnimplantate aus Tantal gefertigt.
Ebenso nutzt man Tantal als Bestandteil von Superlegierungen, also Mischungen aus zahlreichen Metallen mit unterschiedlichen Eigenschaften, die die Materialbeständigkeit von extrem beanspruchten Bauteilen zum Beispiel für Gasturbinen oder Flugzeugmotoren garantieren.
Die hohe elektrische Kapazität von Tantal, die Fähigkeit, elektrische Ladung zu speichern, prädestiniert es für den Einsatz in elektrischen Kondensatoren. Die ersten Tantal-Elektrolyt-Kondensatoren wurden bereits in den 1930er Jahren gebaut. Doch erst nach dem zweiten Weltkrieg entwickelte man die Technik maßgeblich weiter, so dass Tantal als Grundmaterial für jegliche elektronischen Geräte nahezu unentbehrlich wurde.
Dem großen Bedarf gegenüber stand seit Beginn der industriellen Nutzung die Tatsache, dass Tantal ein sehr seltenes Element ist. Von den 80 stabilen der insgesamt etwa einhundert chemischen Elemente rangiert es im Vorkommen weltweit auf Platz 50. Innerhalb der Erdkruste ist Tantal mit einem Anteil von nur 0,00017 Prozent vorhanden. Zum Vergleich: Eisen kommt in der Erdkruste mit einen Anteil von 4,6 Prozent vor, Calcium mit etwa 3,6 Prozent oder Kupfer mit 0,006 Prozent.
In den 1980er Jahren ließ die Nachfrage nach Tantal zwischenzeitlich aufgrund von Börsenspekulationen nach. Aber weil elektronische Geräte für normale Verbraucher immer kompakter und erschwinglicher und aufgrund der digitalen Revolution immer notwendiger wurden, stieg der Bedarf an Tantal in den 1990er Jahren wieder an. Für die Miniaturbauweise ist Tantal ideal, und im Vergleich zu den Anfängen der Tantal-Kondensatoren haben heutige Modelle bei der gleichen Größe die 20fache Kapazität.
Um das Jahr 2000 herum erlebte die Nachfrage nach Tantal und dem Roherz Coltan einen bis dahin unbekannten Boom. Zeitweise war Tantal auf dem Weltmarkt teurer als Silber und kostete pro Kilogramm etwa 500 US-Dollar. Mittlerweile liegt der Preis bei etwa 100 US-Dollar pro Kilo. Der Grund für die gesunkenen Preise: Es wurden mehrere neue Lagerstätten erschlossen.
Doch eines ist sicher – Coltan und seine Bestandteile Tantal und Niob sind endliche Rohstoffe. Pro Jahr werden nur etwa 1.400 Tonnen reines Tantal produziert, rund 60 Prozent davon gehen in den Bau von elektronischen Geräten wie Mobiltelefone, Laptops oder Spielkonsolen. Mit Niob wird hauptsächlich Stahl veredelt.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln stuft heute sowohl Tantal als auch Niob unter der Gesichtspunkt künftiger Verfügbarkeit als „besonders kritische“ Rohstoffe sein, ähnlich wie Chrom, Molybdän oder Platinmetalle. Allen diesen Stoffen ist gemein, dass sie in nur wenigen Lagerstätten konzentriert sind und weltweit nur von wenigen Unternehmen produziert und verkauft werden. Zudem, heißt es beim IW, seien diese Metalle nur schwer oder gar nicht durch Alternativen zu ersetzen.

Ein Großteil der weltweiten Coltan-Reserven liegt im Herzen Afrikas, in der Demokratischen Republik Kongo (DRC). Rund 80 Prozent der weltweiten Vorkommen lagern hier. Und Coltan ist auch eine der Ursachen des Kongokriegs, der seit 1996 mehr als fünf Millionen Todesopfer gefordert hat – mehr als jeder andere Konflikt seit dem Zweiten Weltkrieg.
Erst im Jahre 2008 wurde der Kongokrieg offiziell als beendet erklärt, „eine der schlimmsten, humanitären Katastrophen weltweit“, wie der Bürgerkrieg von der International Crisis Group, einer unabhängigen Organisation für internationale Konflikte und Krisengebiete, bezeichnet wurde.
Mehr als zehn Jahre lang hatten sich in diesem Bürgerkrieg die gegenüberstehenden, rivalisierenden Gruppen gegenseitig verfolgt. Dabei wurden ethnische Identitäten im Kampf um politische und ökonomische Vorherrschaft instrumentalisiert. Denn in den ostkongolesischen Provinzen Ituri und Kivu liegen die größten Goldvorräte der Welt, aber auch Diamanten, Erdöl und – Coltan.
Der Konflikt entwickelte sich in den 1990er Jahren und richtete sich gegen die teilweise schon seit der Kolonialzeit in Kivu lebenden Einwanderer aus Ruanda und Burundi. Als nach dem Völkermord in Ruanda 1994 über eine Million Flüchtlinge aus Ruanda in den Kongo kamen, unter ihnen auch die für den Völkermord an Tutsi und moderaten Hutu verantwortlichen Hutu-Milizen, eskalierte der Konflikt. Kongolesische und ruandische Milizen gingen seitdem gemeinsam gegen die im Kongo lebenden ruandischen und kongolesischen Tutsi vor.
Nachdem im Jahr 2000 ruandische und ugandische Truppen in der Provinzhauptstadt Kisangani gegeneinander kämpften und dabei 600.000 Kongolesen umkamen, beriefen die Vereinten Nationen eine Untersuchungskommission ein. Sie sollte der illegalen Ausbeutung von Rohstoffen im Kongo nachgehen. Denn im illegalen Rohstoffhandel vermutete man sowohl eine Ursache für die Konflikte, gleichzeitig aber auch eine Geldquelle, durch die die Kriegsparteien ihre Kämpfe weiterführen konnten.
Offiziell behauptete der ruandische Präsident Paul Kagame gegenüber den Vereinten Nationen, die ethnischen Konflikte in der Republik Kongo verhindern zu wollen. Doch die UN-Kommission kam zu dem Schluss, dass sowohl der ugandische Präsident Yoweri Museveni als auch Kagame in Wirklichkeit die Fäden beim illegalen Rohstoffexport in den Händen hielten. Die Kommission bezeichnete sie gar als „Paten des illegalen Rohstoffhandels“. Ihr Auftritt im Kongo galt allein den Mineralressourcen des Landes.
Fünfundachtzig westliche Konzerne, so der UN-Bericht aus dem Jahr 2002, seien damals am Handel von kongolesischen Rohstoffen beteiligt gewesen, wenn auch zum Teil nur indirekt, und hätten so zur persönlichen Bereicherung einzelner Kriegstreiber und an der Finanzierung des Bürgerkriegs beigetragen.
Auch ein deutsches Unternehmen gab es in der Liste, das fünfundsiebzig Tonnen Coltan von den Kriegsparteien eingekauft und an ein auf die Produktion von Tantal spezialisiertes Unternehmen in Deutschland verkauft hatte.
Die Zeit des Coltan-Booms und den zunehmend kriegerischen Auseinandersetzungen im Kongo fiel mit der steigenden Popularität von Spielkonsolen und Handys zusammen. Während sich die reichen Industrienationen mit Computerspielen und Mobiltelefonen eindeckten, profitierten die Kriegstreiber im Kongo von der großen Nachfrage nach Coltan.
Bereits 1999 hatten die Vereinten Nationen in einem Bericht veröffentlicht, dass 80 Prozent des 320 Millionen US-Dollar umfassenden Militärbudgets Ruandas aus gestohlenen Mineralressourcen der Demokratischen Republik Kongos finanziert wurden. Im Jahr 2001 flossen etwa 20 Millionen US-Dollar ins ruandische Militärbudget allein aus dem Handel mit Coltan.
Die ruandische Regierung verteidigte sich gegen internationale Anschuldigungen, die Ressourcen illegal auszubeuten, und behauptete, 1.440 Tonnen Coltan pro Jahr aus eigenen Minen zu gewinnen. Dabei verriet sich die Regierung offensichtlich selbst, denn die UN hatte in ihrem Bericht Zahlen aus der offiziellen Statistik Ruandas veröffentlicht, wonach die Coltan-Produktion des Landes lediglich 83 Tonnen pro Jahr beträgt.

Die steigende Bedarf an Coltan führte zu Beginn des neuen Jahrtausends nicht nur dazu, dass zahlreiche große internationale Industrieunternehmen in den Abbau und den Handel einstiegen – auch außerhalb von Zentralafrika wurden Vorkommen entdeckt, in Südamerika, Australien und Kanada, deren Abbau sich lohnte.
Doch da in Zentralafrika die weitaus größten Reserven des begehrten Erzes lagern, brachte hier der Coltan-Boom auch die größten sozialen Veränderungen mit sich. Zu dieser Erkenntnis kommt eine gemeinsame Studie der kongolesischen Entwicklungshilfe-Organisation Pole-Institut, des Deutschen Evangelischen Entwicklungsdienstes und der deutschen Tageszeitung taz.
Zur Zeit des großen Coltan-Booms Ende 2000 bis August 2001, als die Weltmarktpreise bereits wieder zu fallen begannen, untersuchten die Entwicklungshelfer insbesondere die Gegend um Masisi, im Osten der Demokratischen Republik Kongo, in der die Menschen traditionell von Landwirtschaft leben, und die Gegend um die Coltan-Minen von Numbi.
Anders als in den Industrieländern Kanada oder Australien, wo Abbaulizenzen vergeben werden und der Abbau selbst industriell erfolgt, erhofften sich durch den kleingliedrigen Abbau im Kongo oder in Ruanda auch einfache Leute, finanziell vom Coltan-Rausch zu profitieren. Hatten sie doch die Hoffnung, sich aus ihrer oft ärmlichen Lebenssituation zu befreien. In dem durch den Bürgerkrieg entstandenen wirtschaftlichen und politischen Vakuum gab es zudem kein staatlich reguliertes Abbausystem. Jeder der wollte, konnte anfangen zu graben. Professionelle Händler vermittelten den Verkauf des abgebauten Coltans und drückten den Lohn oft zu ungunsten der Bergleute, während die Preise auf dem Weltmarkt stiegen.
Dennoch – während man im Kongo als Bauer etwa zehn Dollar pro Monat verdiente, brachte der Coltan-Bergbau bis zu 50 Dollar pro Woche ein.
„Natürlich kann der Coltan-Abbau unsere Alltagsprobleme langfristig nicht lösen,“ so ein befragter Minenarbeiter, der früher Bauer war, in einem der zahlreichen Interviews, das das Pole-Institut für die Studie durchführte. „Aber wir verdienen jetzt sehr viel mehr Geld als vorher.“ Kurzfristig könne er sich auf keinen Fall vorstellen, wieder als Bauer zu arbeiten. Aber das verdiente Geld wolle er später wieder ins seine Landwirtschaft zuhause investieren.
Auch Célestin Maniriho, Manager einer Coltan-Mine in Numbi, sieht nur die positiven Effekte des Bergbaus: „Die Arbeitslosigkeit nimmt ab, durch den Krieg vertriebene Menschen finden neue Arbeit, Schüler und Lehrer können arbeiten und Geld verdienen, während sie auf den Wiederaufbau der Schulen warten.“
Doch viele Kongolesen wurden auch enttäuscht. So berichten Nzakuza and Ndagije, zwei Coltan-Kumpel aus Luwowo und Mishavu, dass sie in den Minen zwar mehr Geld verdienten als zuhause als Bauern. Doch sei die Versorgung in den Bergarbeiter-Camps doppelt bis dreimal so teuer wie daheim. Alles Geld würde so wieder aufgebraucht. „Oft kehren wir ohne Geld nach Hause zurück, weil wir alles für Essen ausgegeben haben“. Seine Zukunft sah im Interview keiner von beiden im Coltan-Abbau. „Wir hoffen, eines Tages einen großen Diamanten zu finden und uns davon Vieh und Felder kaufen zu können“.
Wie Nzakuza and Ndagije verließen viele Kongolesen, ihre heimatlichen Dörfer mitsamt Feldern und Vieh, überließen die Landwirtschaft den Frauen und verdingten sich als Minenarbeiter. Die Folge: Nahrungsmittelknappheit, denn viele Felder wurden nicht mehr bewirtschaftet, die Lebensmittel wurden teurer.
Auch viele Kinder verdingten sich in den Minen, oft auf Geheiß ihrer Eltern. Alphonse Batibwira, Lehrer aus Matanda: „Mehr als 30 Prozent der Kinder und fünf bis zehn Prozent der Lehrer hier haben die Schule verlassen, um stattdessen in den Minen zu arbeiten.“ Weil die Lehrer von den Schulgebühren der Schüler leben, die jedoch nicht alle zahlen könnten, seien sie auf alternative Einkommen angewiesen – ein Teufelskreis, der nur durch staatliche Gehälter behoben werden könne, so Batibwira.
Auch heute, rund acht Jahre nach dem großen Coltan-Boom, leben noch immer viele Menschen vom Abbau des Roherzes, einem der wenigen Wirtschaftsbereiche, die im Kongo noch funktionieren, denn Nachfrage besteht auf dem Weltmarkt nach wie vor. Doch mit dem offiziellen Ende des Bürgerkriegs im vergangenen Jahr und mit dem Wiederaufbau des Landes beginnen die sozialen Probleme im Kongo jetzt möglicherweise erst. Für viele bleibt der Coltan-Abbau nach wie vor eine Alternative zur Landwirtschaft.

„Rund zwei Millionen Bergleute gibt es in der Demokratischen Republik Kongo,“ schätzt Jürgen Vasters von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), „und rund zehn Millionen vom Kleinbergbau abhängige Menschen – das sind rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes.“
Diese Bergleute im so genannten artisanalen Bergbau, der nahezu ausschließlich in Handarbeit erfolgt und kaum mechanisiert ist, haben bis vor kurzem je nach Rohstoff zwischen 80 und 100 Prozent der kongolesischen Gesamtrohstoffproduktion gefördert. Coltan steht dabei ebenso auf der Liste der Rohstoffe wie Gold und Silber oder Wolfram und Kobalt. Fast alle diese Edelmetalle stammen im Kongo aus der artisanalen Produktion.
Weltweit sind rund 15 Millionen Menschen im artisanalen und Kleinbergbau beschäftigt. Wissenschaftler schätzen aber, dass insgesamt sogar 100 Millionen Menschen existentiell davon abhängig sind. Zum Vergleich: Der industrielle Bergbau beschäftigte zur Jahrtausendwende weltweit lediglich etwa sieben Millionen Menschen.
Der Bürgerkrieg im Kongo hat der Entwicklung des Kleinbergbaus Vorschub geleistet. Doch obwohl dadurch zahlreiche Möglichkeiten an alternativen Einkommensquellen entstanden sind, birgt er auch Gefahren. „Obwohl die meisten Berggesetze den artisanalen Bergbau theoretisch regeln, ist der Einfluss der gesetzlichen Bestimmungen auf den Sektor in der Realität sehr gering“, so Frank Melcher, der auch an der BGR den Kleinbergbau im Kongo untersucht hat. „Die Arbeitsbedingungen sind schlecht, Kinder- und Zwangsarbeit sind üblich. Die mangelnde Arbeitssicherheit führt darüber hinaus häufig zu Unfällen.“
Aufgrund der fehlenden technischen Ausrüstung und mangelnder Ausbildung sind die Bergarbeiter in den Coltan-Minen des Ost-Kongo besonderen Gefahren ausgesetzt. Vor allem Erdrutsche verursachen immer wieder Todesfälle in den Minen. Oft graben die Bergleute an Berghängen bis zu sechs Meter tief. Wenn die Löcher mit Wasser vollaufen, können sie einstürzen, oder der gesamte Hang rutscht.
Zudem werden die Bergleute während der Anfangsphase ihrer Tätigkeit oft von Händlern zwischenfinanziert und sind später dann gezwungen, dieses Darlehen abzuarbeiten. Die Folge: langfristige Abhängigkeit.
Die Minenarbeiter selbst können die geförderten Rohstoffe kaum selbst verkaufen, da sie weder über die technische noch die ökonomische Infrastruktur verfügen, und so keinen Zugang zu freien Rohstoffmärkten finden. Händlern vor Ort gibt dies die Möglichkeit, die Preise noch stärker zu diktieren als ohnehin.
Der Kongokrieg hat gezeigt, wie der Kampf um Rohstoffe einen derartigen Konflikt wirtschaftlich und politisch beeinflussen kann. Seitdem die Vereinten Nationen die illegalen Handelsströme des kongolesischen Coltans aufgedeckt und westliche Unternehmen weltweit angeprangert haben, gilt der Rohstoff aus dem afrikanischen Bürgerkriegsland auf dem Weltmarkt als nicht mehr akzeptabel.
Seit dem Jahr 2001 hat kongolesisches Coltan daher weltweit nahezu keine Rolle mehr gespielt und wurde boykottiert. Firmen wie H.C. Starck aus Deutschland, Weltmarktführer bei der Verarbeitung von Coltan, verpflichteten sich, nur noch solches Roherz zu kaufen, von dem klar war, dass es ohne Umwelt- und Gesundheitsschäden und unter Einhaltung internationaler Förderstandards produziert wird.

Regionaler Schwerpunkt für die Zertifizierung von Rohstoffen soll Afrika sein. Einerseits sind mineralische Rohstoffen für Entwicklungsländer wirtschaftlich besonders wichtig. Andererseits ist die Steuerung und Kontrolle in der Rohstoffwirtschaft in vielen Ländern so defizitär, dass die Produktion weder transparent noch nachhaltig ist.
Das Kontrollverfahren der BGR könnte schon bald dringend notwendig werden. Denn die bisher größte Tantal-Mine der Welt, Wodgina in Australien, steht kurz vor der Schließung. 30 Prozent der Weltproduktion an Tantal kamen in den letzten Jahren aus Wodgina. Grund für die Schließung ist jedoch nicht etwa, dass dem Tagebau das Coltan ausgeht. Der Betreiber der Mine, das australische Unternehmen Talison, wollte den Preis für Tantal um 80 Prozent anheben. Da sich die Abnehmer, hauptsächlich Elektronikunternehmen, dagegen wehrten, droht der Produzent nun mit der Schließung der Mine.
Auch wenn es sich hier um taktisches Geplänkel und eine künstliche Verknappung des Rohstoffs handeln mag, absehbar ist, dass auch das kongolesische Coltan für den Weltmarkt wieder zunehmend interessant wird – und damit die bisherigen Konflikte erneut angeheizt werden. Denn China, so der internationale Rohstoffanalytiker und Journalist Denis Zogbi. stelle seine Coltan-Importe seit 2007 auf Quellen aus Ruanda und dem Kongo um. Die deutsche Firma H.C. Starck dagegen wird ihr Coltan künftig aus Ägypten, statt aus Australien beziehen, auf keinen Fall jedoch aus dem Kongo, um nicht erneut in Verruf zu geraten.
Das Zertifizierungsverfahren der BGR soll demnächst kongolesisches und ruandisches Coltan sauber voneinander unterscheiden. Denn was man in jedem Fall verhindern will ist, dass erneut Coltan aus Minen unter militärischer Kontrolle auf den Weltmarkt gerät und der Konflikt im Kongo so möglicherweise wieder angefacht wird.

Der Coltan-Abbau in Zentralafrika bringt nicht nur wirtschaftliche und soziale Probleme mit sich, sondern richtet auch erhebliche Umweltschäden an. Ausgerechnet dort, wo die wichtigsten Coltan-Lagerstätten zu finden sind, im Osten der Demokratischen Republik Kongo an der Grenze zu Uganda und Ruanda, erstreckt sich einer der artenreichsten Naturräume der Region – tropischer Regenwald, der lange Zeit nahezu unberührt blieb und der ungewöhnlich viele seltene Pflanzen- und Tierarten beheimatet.
Hier liegt beispielsweise der Kahuzi Biega National Park, der bereits 1980 in die Liste des UNESCO-Weltnaturerbe eingetragen wurde. Auf 2.100 bis 2.400 Meter über dem Meeresspiegel und über etwa 600.000 Hektar erstreckt sich hier ein einmalig erhaltenes zusammenhängendes Stück tropischen Regenwalds, der sich um die beiden Vulkanen Kahuzi und Biega zieht. Hier sind zahlreiche seltene Tierarten beheimatet, wie beispielsweise der Grauer-Gorilla. Rund 86 Prozent der insgesamt noch etwa 5.000 bis 10.000 Exemplare dieser Gorillaart leben im Kahuzi Biega National Park.
Im Virunga-Nationalpark, 790.000 Hektar groß, im Gebiet der Virunga-Vulkane, mitten im Großen Afrikanischen Grabenbruch, lebt dagegen der Großteil der noch verbliebenen Berggorillas. Etwa 380 Tiere gibt es noch, schätzt die deutsche Umweltschutz-Organisation Pro Wildlife.
Doch der Coltan-Abbau hat auch hier seine Spuren hinterlassen. Wie der Dian Fossey Gorilla Fund im Jahr 2001 in einer Studie nachwies, zerstört der Coltan-Abbau insbesondere den Lebensraum der Gorillas und nimmt ihnen so die Lebensgrundlage. So wird um neue Fundstätten zu erschließen, Bergarbeiter-Camps zu errichten und sich dort mit Feuerholz zu versorgen der Regenwald abgeholzt.
Auch die Flüsse verschmutzen durch das Auswaschen der Coltan-Lagerstätten, das beeinflusst die Fischbestände und das Wachstum von Wasserpflanzen. Durch das Abholzen komme es immer wieder zu Erdrutschen, die den verbliebenen Lebensraum langfristig zerstören. Gorillas, aber auch andere Arten wie Elefanten und im Regenwald lebende Raubkatzen sowie andere Affenarten, werden durch den Abbau aus ihrem Gebiet verdrängt und gestört. Gleichzeitig zu den Umweltveränderungen wird Jagd auf die Tiere gemacht, die als Bushmeat, als Wild, sehr begehrt sind.
Trotz des zurückgegangenen Coltan-Abbaus im Ost-Kongo hat sich die Lage für die Gorillas in den letzten Jahren längst nicht entspannt. Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) betreibt im Virunga-Nationalpark eines ihre längsten und wichtigsten Schutzprojekte zur Rettung der Gorillas. Bis heute, so die ZGF, sei die Gefahr für die Affen längst nicht gebannt. Denn nach wie vor sei offensichtlich gerade der Lebensraum der Gorillas, die unzugänglichen Regenwälder, ein bei den Rebellen und Militärmilizen beliebtes Gebiet um abzutauchen. Schon häufig seien Gorillas den Schießereien zum Opfer gefallen oder aus reiner Provokation getötet worden.
Weil die Lage im Kongo für die Gorillas nach wie vor bedrohlich ist, haben zahlreiche internationale Organisationen das Jahr 2009 zum Jahr des Gorillas erklärt, unter anderem die UNESCO, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNEP und die UN-Konvention zum Schutz wandernder Tierarten.
Pro Wildlife hat dies zum Anlass genommen, ein Handy-Recyclingprogramm zu initiieren, um den so genannten Bluhandys etwas entgegenzusetzen, Handys, die auf Kosten vom Aussterben bedrohter Tierarten produziert werden – denn heutzutage steckt in jedem der weltweit geschätzt drei Milliarden Handys Coltan.
Das soll den Gorillas gleich zweifach zugute kommen: Zum einen setzt die Organisation den Erlös für den Schutz von Gorillas ein. Zum anderen werden noch funktionsfähige Handys wiederverwendet, wodurch weniger Coltan abgebaut werden muss.
Und so funktiniert’s: Der Handyrecycler Greener Solutions sammelt für Pro Wildlife Althandys ein. Für jedes Handy, je nach Modell und Baujahr, fließen zwischen 75 Cent und 200 Euro an Pro Wildlife. Die wiederum werden in einem der Schutzprogramme von Pro Wildlife genutzt, beispielsweise um Ranger-Trupps beim Einsatz gegen illegale Wildtierhändler-Ringe oder Milizen im Ostkongo zu unterstützen.
(Auszüge aus: www.scinexx.de)

 

 

 

Die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, ist auf Staatsbesuch in der Mongolei. Wie berichtet, hat sie sich dort für die Einhaltung von Menschenrechten und die Abschaffung der Todestrafe eingesetzt. Hauptziel ihrer Exkursion ist jedoch die Lizenzbeschaffung zum Abbau von Gold, Kupfer und so genannten Seltenen Erden, die beispielsweise in Leuchtmitteln aller Art, in Plasma-Bildschirmen, aber auch in Atomkraftwerken Verwendung finden. Auch in der Mongolei hat nach 1989 ein regelrechter Run auf die Abbau-Gebiete stattgefunden, viele Einheimische graben privat, um ihre prekäre finanzielle Lage zu verbessern. Deutschland möchte bei der Vergabe der Abbaurechte an vorderster Front mitspielen; die noch kaum erschlossene Wüste Gobi mit ihren Bodenschätzen ist ein weiterer Ort der Begehrlichkeiten geworden. Afghanistan mit seinen Bodenschätzen, die nach US-Schätzungen Biilionen US-Dollar wert sind, schwächelt zurzeit noch wegen der instabilen politischen Lage und weil die Erschließung noch zu kostenintensiv ist.

 
 


 



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