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Das Ende vom Lied

Freitod einer Pop-Prinzessin
oder: wie weit die Tyrannei der Medien und unglückliche Partnerschaften eine(n) bringen können


 von Daniela Capcarová
 


29. April 2014, Prag: „Eine achtundvierzig-jährige Frau wurde von einem Zug erfasst und überrollt; ihre Verletzungen waren tödlich”, teilte die Sprecherin des Prager Rettungsdienstes Jiřina Ernestová der tschechischen Internetplattform novinky.cz mit. Erst am 8. April war die tote Sängerin achtundvierzig Jahre alt geworden.


Der Internetdienst schlug aus ihrem Tod in krasser Weise Kapital und drehte posthum ein Video: Ein Redakteur sitzt in einem Zugabteil, die Kamera ist auf die Gleise gerichtet, man sieht zwei schwarze Plastiksäcke, mit denen suggeriert wird, in ihnen befänden sich die Teile des Körpers der Sängerin – jedenfalls denkt man bei dieser Aufnahme unwillkürlich, dass es tatsächlich der bei dem Unfall zerrissene Körper der ehemaligen tschechischen Pop-Diva ist. Den Redakteur sieht man nicht, mittels der subjektiven Kameraführung schaut man sozusagen mit eigenen Augen auf das Gleis mit den schwarzen Säcken, in denen der zerstörte Körper liegt. Ob der Dreh real oder konstruiert war, ist egal, man erreichte das Ziel: im Zuschauer starke Gefühle des Mitleids oder des Ekels hervorzurufen.


Am Todestag wollte ich mir das Video nicht gleich ansehen. Dennoch war ich und weitere zehn Millionen TschechInnen und fünf Millionen SlowakInnen erschüttert über diese Tragödie. Nicht nur, weil es sich um den Freitod einer Berühmtheit handelte, sondern vor allem, weil man spürte, dass dieser Tod zu einem großen Teil das Ergebnis der Hetze und Jagd der Boulevard-Presse auf die schwache, aber außerordentlich talentierte Iveta Bartošová gewesen war. Betroffen und zugleich empört waren nicht nur die sog. einfachen Leute, die hauptsächlichen Konsumenten dieser Medien, sondern auch deren Objekte – die Stars, die von diesen Presseorganen auf Schritt und Tritt verfolgt werden. „Der Tod von Iveta Bartošová ist für mich ein tiefer Schlag. Sie tut mir unendlich leid, und ich weiß nicht, ob die Regenbogenpresse nicht einmal darüber nachdenken sollte, was sie alles schreibt und wer das nächste Opfer sein wird,“ sagte – im Fernsehen und zugleich auf einem Video des Internetportals der Tageszeitung Mladá Fronta Dnes – die angesehene Schauspielerin Simona Stašová. Kurz zuvor hatte Stašová beim Filmfestival im amerikanischen Tiburon für den Film Sebemilenec / Der Selbstliebhaber den Preis als Beste Schauspielerin gewonnen. Der tschechische Film thematisiert männliche Gewalt gegen Frauen in engen Beziehungen. Doch davon später.


Als ich von der Nachricht erfuhr, erinnerte ich mich an ein Konzert 2005, in dem Iveta Bartošová als Gastsängerin auftrat. Damals wurde ich als slowakisch-deutsche Journalistin zum Jubiläumskonzert der tschechischen Sängerin Helena Vondráčková eingeladen, die wohl einige Deutsche noch aus der Unterhaltungssendung Ein Kessel Buntes kennen. Iveta trat über eine freischwingende Treppe auf die Bühne. Beim Heruntergehen schwankte sie ein wenig. Ihr wackeliger Gang war dennoch so auffällig, dass das Tschechische Fernsehen Nova dieses Entrée aus der Fernsehübertragung herausschnitt. Ich dachte mir schon damals, fast zehn Jahre vor ihrem Freitod, dass die Sängerin entweder Probleme mit Drogen oder mit Alkohol haben müsse. Auf der Bühne trat sie allerdings ganz sicher auf und sang ohne Probleme den Hit meiner Jugend: Léto / Sommer. Das Konzert versetzte mich in die sorglose Zeit des Sozialismus, die das Lied für mich repräsentierte. Damals war Iveta unsere Ikone – sie gewann den landesweiten Sänger-Wettbewerb, war bildhübsch, beliebt, weiblich. Über meinem Bett im Kinderzimmer hing ihr Plakat aus der Jugendzeitschrift Kamarád. Zusammen mit ihrem damaligen Freund Peter Sepéši nahm sie das Duett „Knoflíky lásky – Knöpfe der Liebe“ auf. Beide repräsentierten ein glückliches sozialistisches Liebespaar, was gar nicht ironisch gemeint ist. Wenn man im Sozialismus berühmt war und als Sänger oder Sängerin in der ersten Pop-Liga sang, hatte man weder Probleme mit einer Boulevard-Presse, die es in der Tschechoslowakei damals gar nicht gab, noch musste man jüngere und hübschere Konkurrenten besonders fürchten, denn jeder hatte im Show-Geschäft seinen Platz. Iveta hat sich diesen Platz in der Sonne vor allem durch ihre geniale Stimme erobert. Leider ging der Traum einer glücklichen Beziehung zu Ende, als am 29. Juli 1985 ihre große Liebe Peter Sepéši an einem Eisenbahnübergang verunglückte. Für die Sängerin war es ein tiefer Schlag, von dem sie sich vermutlich jahrelang nicht erholte – unterstützt noch dadurch, dass man dazu neigt, einen verunglückten Partner lebenslang zu idealisieren. Später erfuhren wir aber auch, dass der Arbeiterkader Sepeši kein Idealpartner war und Iveta damals mit seinen ständigen Affären zusetzte.


Ein wichtiger Meilenstein in Ivetas Karriere war ihr Umzug aus der kleinen mährischen Stadt Frenštát pod Radhoštem in die Hauptstadt der damaligen Tschechoslowakei. Nach Prag kam sie noch mit Peter Sepeši, im Jahr 1987 startete sie dann ihre Zusammenarbeit mit der Gruppe Kroky Františka Janečka. Der Umzug nach Prag hatte zwar einen positiven Einfluss auf ihre Karriere als Popsängerin, privat scheint der Umzug heute, in der Rückschau, wohl eher ein Desaster gewesen zu sein. Auf die Prager Künstlerszene war die zwanzigjährige Sängerin nicht vorbereitet. Sie war ein Mädchen aus einer kleinen Stadt in der Nähe der Grenze zur Slowakei, noch erschüttert vom Tod ihres Freundes, voller Emotionen und Erwartungen, nach einem Prinz auf dem Schimmel suchend. Und diese Sensibilität, die ihren Liedern die Tiefe gab, und ihr Anlehnungsbedürfnis haben vor allem ältere Musiker, alles alte Hasen im Prager Unterhaltungsbetrieb, ausgenutzt. Sie suchte einen Beschützer und fand ihn in ihren Augen in dem zwanzig Jahre älteren Gitarristen und Kapellmeisters des gleichnamigen Orchesters Ladislav Štaidl, das jahrelang Karel Gott begleitete. Die Romanze hatte allerdings einen Haken – Štaidl war verheiratet, und wegen Iveta wollte er sich keineswegs scheiden lassen. Das kratzte zwar an ihrem Selbstbewusstsein, dennoch war die Sängerin lange nicht in der Lage, sich von dem Musiker zu trennen. In ihrer Kindheit musste Iveta die Tiraden ihres alkoholabhängigen Vaters aushalten – auch das vielleicht ein Grund ihres Verhaltens gegenüber Männern. Es war sicher kein Zufall, dass sie sich einen älteren Partner aussuchte, der sie auch in ihrer Karriere musikalisch unterstützen sollte. Zum Zusammenbruch ihres Traums und ihrer Gefühlswelt kam es 1994 durch die Vergewaltigung eines Mannes, Roman Tříska, der in ihre Wohnung eingebrochen war. “Seitdem hatte Iveta Probleme mit dem Einschlafen und begann Schlaftabletten zu nehmen“, erinnert sich ihre Haushälterin Zlata Dvořáková im Buch Sbohem Iveto / Lebwohl Iveta.


1996, Iveta war dreißig Jahre alt, wurde ihr Sohn Arthur geboren. Štaidl heiratete sie trotzdem nicht, obwohl die beiden darüber hinaus insgesamt dreizehn Jahre zusammen waren. Die Schramme auf der Seele der Sängerin blieb, sie kümmerte sich weiter um ihren Sohn und war erfolgreich im Geschäft. Vielleicht wäre das der richtige Zeitpunkt für Bartošová gewesen, einen Therapeuten aufzusuchen, um Verhaltensmuster zu erkennen und zu ändern. Ob eine Therapie in der ständigen medialen Hatz um sie herum allerdings möglich gewesen wäre, ist ein anderes Kapitel. „In dem Jahr drehte sie das Musical Dracula und wollte auch im Alkoholkonsum Schritt halten mit ihren Kollegen aus der Branche; im Unterschied zu ihnen hatte sie natürlich keine Übung“, schreibt Dvořáková in ihrem Buch. „Ihre Abhängigkeit entwickelte sich auch deshalb, weil die Sängerin ihr Lampenfieber vor jedem Auftritt mit Alkohol bekämpfte“, begründet die Haushälterin die Anfänge des Alkoholmissbrauchs. Dazu kam, dass sich die Sängerin von Ladislav Štaidl trennte: „Ladislav und Iveta hatten eine andere Vorstellung von gemeinsamem Leben“, so Dvořáková

 

Für ihre Partner war Iveta ein Aushängeschild, immer eine gute Werbung – hübsch, blond, musikalisch erfolgreich und ständig von den interessantesten Männern umgeben. Neun Jahre später hatte sie wieder einen Mann in einer Dreiecksbeziehung, von dem sie aber glaubte, er würde sich ihretwegen aus den familiären Bindungen zu seiner Exfrau und den Kindern lösen. Der fesche Zdeněk Podhůrský gab ihr allerdings nicht das, wonach sie sich sehnte. „Wir können nicht weiter in einem Dreieck leben“, sagte Iveta gegenüber den Medien. Podhůrský hatte zwar eine intime Beziehung zu der Sängerin, an erster Stelle in seinem Leben stände aber immer noch seine Ex-Ehefrau. Iveta fasste die Situation folgendermaßen zusammen: „Es ist mir sehr schwer um´s Herz. Ich liebe Zdeněk, es gibt allerdings keine andere Lösung für uns als eine Trennung. So eine Beziehung würde mich auf Dauer total zerstören“, äußerte sich die damals neununddreißig-jährige Pop-Ikone. Kurz darauf folgte ein Selbstmordversuch, bei dem man sie noch rechtzeitig retten konnte. Die Boulevardblätter hatten neuen Stoff. Ihr Selbstmordversuch war eine Art Warnung, die aber die wenigsten wahrnehmen wollten. Ihre damalige Haushälterin und Betreuerin ihres Sohnes Golda alias Zlata Dvořáková riet der Sängerin, einen Alkoholentzug zu machen. Wahrscheinlich war sich Iveta des Ernsts der Lage nicht bewusst. Man könnte annehmen, dass Ivetas Familie ihr hätte helfen wollen und sie zu einer Therapiebehandlung in eine andere Stadt gebracht hätte, weit weg von der Aufsicht der Medien. „Iveta hat ihre Familie praktisch nicht kontaktiert“, schreibt Zlata Dvořáková. Ihre Zwillingsschwester Ivana hatte – laut Dvořáková – immer das Herz auf dem rechten Fleck, Iveta jedoch dachte immer, ihre in der Schweiz lebende Zwillingsschwester wäre neidisch auf sie. Nach den Worten Goldas hätte mit Sicherheit auch die Mutter der Sängerin geholfen, hätte Iveta die Hilfe nur zugelassen. Stattdessen vergrößerte sich die Abhängigkeit der Sängerin von ihren jeweiligen Partnern, und wegen ihres massiven Alkoholproblems entzog ihr schließlich das Gericht den einzigen Sohn.


Unglücklicherweise kreuzte der gescheiterte und bis zum Hals verschuldete Produzent Jiří Pomeje, der u.a. das auch in Deutschland bekannte Märchen „Teuflisches Glück“ produziert hat, ihren Weg. Teuflisches Glück hatte Jiří Pomeje auch bei der Auswahl seiner Partnerinnen. Seine erste Frau – und Hautprotagonistin des Märchens – Michaela Kuklová zahlt bis heute die Schulden ihres Exmannes ab, die wegen dieser Eheschließung auf ihr lasten. Dieses teuflische Glück erwartete auch Bartošová. Die von allen Medien verfolgte Hochzeit in einer Kutsche, die die beiden neuen Eheleute im besten Licht erscheinen ließ, war leider nur ein Spektakel. Nachdem Iveta ihre wahre Funktion in dieser Beziehung erkannte, nämlich Finanzspritze und Sponsor ihres Gatten zu sein, war es schnell aus mit der Idylle. Jiří Pomeje beschuldigte andere, auch die Haushälterin und Betreuerin Golda, obwohl nicht ganz klar ist, was er behauptet und was die Presse dazu gedichtet hat. Jedenfalls wurde Golda sauer und schrieb das oben erwähnte Buch über das Privatleben von Iveta Bartošová – dort fand man alle Details über die Alkoholexzesse der Sängerin. Dieser Schlag, hinterrücks und unvermutet, traf Bartošová sicher sehr, umso heftiger, als jetzt ganz Tschechien und die Slowakei aus dem Buch erfuhr, welch eine schlechte Mutter und schwache und psychisch gestörte Persönlichkeit sie war. Sie trennte sich auch von Pomeje, die Öffentlichkeit nahm sie jetzt als eine Person wahr, die keine echte Partnerbeziehung eingehen könne. Diese Meinung wurde durch zwei weitere Selbstmordversuche verstärkt, die die Sängerin als eine Reaktion auf ihre gescheiterten Beziehungen noch vor ihrer Heirat mit Pomeje unternommen hatte.

 

Damit begann der Zusammenbruch. Iveta trat bei ihren öffentlichen Auftritten nicht mehr sicher auf, was der Aufmerksamkeit der Medien natürlich nicht entging und dazu führte, dass sie begannen, sie als Person lächerlich und sich über ihr Auftreten lustig zu machen. Sie verfolgten sie im Jahr 2007, als sie sich in der Psychiatrischen Klinik in Kroměříž befand, genauso wie im Jahr 2011, als sie die Psychiatrische Klinik der Karlsuniversität in Prag aufsuchte. Den Medien gelang es sogar, das Statement eines behandelndes Arztes zu ergattern, der ihren Zustand wie folgt beschrieb: „Die Sängerin ist von allen möglichen Seiten unter Druck, und braucht einen Rat, wie sie das Ganze lösen soll“. Zwei Tage später verließ Iveta auch diese Klinik wieder. Es bleibt die Frage, ob sich eine labile Persönlichkeit unter ständiger Medien-Aufsicht und Presse-Hetze überhaupt heilen lässt. Die vorläufige Antwort lautet: Nein. Der einzige, der die damalige Medienhatz kritisierte und auf sie reagierte, ist der berühmte Fernsehtalkmaster Jan Kraus. In der von ihm herausgegebenen Zeitschrift zeigte er die gefühllose Moderatorin einer Boulevard-TV-Sendung Gábina Partyšová mit der Überschrift „So sehen Hyänen aus“. Er wusste, wovon er schrieb: Er und seine Frau haben eine sehr gute Freundin, eine exzellente tschechische Schauspielerin, die jahrelang mit ihrer Alkoholsucht kämpfte und sie schließlich kontrollieren lernte – allerdings ohne ständige Aufsicht der sensationsgierigen Medien.

 Iveta konnte das alles nicht helfen. Sie verliebte sich erneut in einen Mann und war für eine gewisse Zeit auf Wolke Sieben – leider blieb auch der Italiener Domenico Martucci nur eine Affäre, nach der es mit der Sängerin nur noch bergab ging. „Ich fürchte, dass Iveta eines Tages nicht mehr aufstehen können wird“, sagte einer ihrer Manager traurig. In dieser Zeit schauten sich die Zuschauer auf YouTube die Nervenzusammenbrüche an, die sie live direkt in einer slowakischen Show oder bei einem Konzert erlitt. Niemand wurde es zuviel – weder den Medien, noch den Zuschauern.


All das ist nur ein trauriges Vorspiel, ein deutliches Warnsignal, wie sich später herausstellt. 

Die Sängerin begibt sich in die Hände eines weiteren, letztlich für sie nicht kompatiblen Partners – Josef Rychtář. Vor dem hat sie solche Angst, dass ihr „Unterstützer“ und selbsternannter „Beschützer“ Zdeněk Macura die Sängerin nach Italien entführen muss. Es gibt Vermutungen, dass Josef Rychtář Iveta tyrannisiert hat. Nach der Rückkehr aus Italien zeigen die Medien die Sängerin in einem äußerst Mitleid erregenden Zustand. Im August 2013 lässt sich Iveta wieder in die auf Abhängigkeiten spezialisierte Psychiatrie Bohnice in Prag einliefern, Josef Rychtář nimmt sie allerdings nach einer Woche von dort heraus. Zu einer ähnlichen Situation kommt es auch paar Tage vor ihrem Tod: der inzwischen Ehemann gewordene Josef Rychtář nimmt sie auf eigene Verantwortung aus der ärztlichen Behandlung. Ein paar Freunde spüren intuitiv, dass es der Sängerin nicht gut geht. Sie rufen sie – vergebens – auf ihrem Handy an. Am 29. April, dem Geburtstag ihres letzten Ehemannes Josef Rychtář, beschließt sie, sich das Leben zu nehmen. Diesmal will sie auf Nummer Sicher gehen und wirft sich unweit einer Gleiskurve, damit sie der Lokführer nicht sehen kann, vor den Zug, im Prager Vorort Uhříneves, wo sie lebte.

Sie soll einen Abschiedsbrief hinterlassen haben, dessen Echtheit die Fachleute und Graphologen jedoch bezweifeln. Das Bild, das in der Nähe des Tisches mit dem Abschiedsbrief steht, soll nach Meinung des Witwers Rychtář vor ihrem Tod gemalt worden sein. Die Freunde bezweifeln den Zeitpunkt der Entstehung des Bildes, weil sie meinen, dass Iveta es früher gezeichnet hat. Die Polizei beschlagnahmt sicherheitshalber das Handy der Sängerin und leitet Untersuchungen dahingehend ein, ob die Sängerin nicht von ihrem Mann tyrannisiert worden sei. Weder Mutter noch Sohn werden zum Begräbnis zugelassen.


Es bleibt dennoch ein Memento. Im Fernsehen startet endlich eine Diskussion über das Tyrannisieren und die Misshandlung von Frauen. Da sowohl in Tschechien als auch in der Slowakei Presseräte wie in Deutschland fehlen, sollte man in beiden Ländern nachdenken, ob man einen solchen Aufsichtsrat einrichtet, der Personen des öffentlichen Lebens vor unwahren und schädigenden Äußerungen der Medien schützen kann. Medien in Tschechien und in der Slowakei können zurzeit absolute Lügen veröffentlichen, keiner wird sie dafür bestrafen. Verkaufszahlen und Einschaltquoten stehen weit vor jeder journalistischen Ethik. Bis jetzt können Personen des öffentlichen Lebens gegen Medien nur gerichtlich vorgehen, die Urteile solcher Prozesse sind allerdings nicht immer zu Gunsten der geschädigten Personen. In den Kinos läuft zurzeit der Dokumentarfilm Delníci bulváru – Arbeiter des Boulevards des Regisseurs Vít Klusák. Der Film zeigt Boulevardjournalisten, die aus Menschen Prominente machen, die sie dann ausstellen, verfolgen und niedermachen können. Der vor kurzem gedrehte Film vom Regisseur Filip Renč Sebemilenec thematisiert die immer wieder verschwiegene Gewalt gegen Frauen. Nach aktuellen Statistiken haben fast 50 % der Frauen in Tschechien und in der Slowakei schon Gewalt am eigenen Leib erfahren.


Das hilft der talentierten Sängerin Iveta Bartošová nicht mehr. Ihr Tod bleibt nur ein Memento: an unsensible, gefühllose Menschen, sensationslüsterne Medien und an diejenigen, die die Kindheit eines Menschen dermaßen zerstören können, dass er im weiteren Verlauf seines Lebens psychiatrischen Stationen durchlaufen, immensen Schmerz erleiden muss und am Ende des Lebens keinen Sinn mehr darin sieht. Viele Menschen haben das verstanden und konnten in der Nacht nach Ivetas Tod wegen ihrer Trauer nicht schlafen – mit Ausnahme der Boulevardjournalisten natürlich. Die haben nach dem Begräbnis der Sängerin mindestens weitere vier Wochen Stoff für ihre neuen Artikel.

 

© Originalbeitrag, Erstveröffentlichung: LETNÁ PARK 19.05.2014, Fotos: csmusic.cz; ahaonline.cz  

Bearbeitung und Endredaktion: Katja Schickel 

 

 

19V2014



 

Nach Selbstmord: Tschechisches Fernsehen ehrt Iveta Bartošová mit Sondersendung

"Po stopách hvězd" (Regie Š. Šedivá), 21.45 Uhr, ČT1

Prag - Die tschechische Popsängerin Iveta Bartošová schied heute freiwillig aus dem Leben. Am späten Vormittag warf sie sich in der Nähe ihres Hauses offenbar vor einen Zug. Den Tod der 48-Jährigen bestätigte inzwischen ihr zweiter Ehemann Josef Rychtář.

Die dreifache Gewinnerin der Goldenen Nachtigall stand seit Jahren unter Dauerbeobachtung der tschechischen Boulevardmedien. In den vergangenen Jahren thematisierten diese immer wieder die psychischen und Alkoholprobleme der populären Sängerin.

Das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen ehrt Iveta Bartošová am heutigen Dienstagabend mit der neuerlichen Ausstrahlung eines filmischen Portraits aus dem Jahr 2008. (nk)

Weitere Infos: www.ceskatelevize.cz

Bildnachweis: Česká televize: Autor: Niels Köhler

29.4.2014

 


 



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