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Vier neue Gedichte von Lars Reyer - 2010

 

 

Wache

 

Es riecht nach Popcorn, ich habe eine 25-Watt-Glühbirne

eingeschraubt, der Fernsehapparat bleibt taub, ich kann

nur selten meine Hände spüren. Warum


 

es hier nach Popcorn riecht, das weiß ich nicht, es ist nur

meine Pflicht, noch einmal nah ans Fenster hin zu treten,

noch einmal nach der Straße, nach der Nacht zu sehen,

kein böser Traum soll mehr ins Haus einströmen. Ist alles

still. Jetzt kann ich gehen.

 

 

 

Kino

 

Die steile Gasse rauf: gegenüber

       die Bretterbude verkaufte halbe Hähnchen,

               Krakauer, den abtötenden Schnaps zum Feier-

abend, dort sah ich Das kalte Herz,

im Schaukasten hing das Plakat (so tschechische

Gesichter) & der Glanz von ausgedünntem


 

Benzin im Rinnstein. Manche hier waren bewaffnet,

die nageldurchtriebenen Zaunslatten hingen

                 am Gürtel (so ging das Gerücht)

& im Flackern der Straßenlampen

                       kamen die seltenen Gerüche auf

                               von Dosenpfirsichen, buntem

Cellophan (& bunten Ländern). Dort räumte man


 

im Abendschimmer Lieferwagen aus, der Karten-

        abreißer mit seinen Raucher-

                 fingern – Die Schneekönigin

hielt sich immer in Bereitschaft & spülte

den Mund aus mit Bier. Manche hier atmeten

kaum, aber am Ende wurde der Junge gerettet.

 

 

 

Abende gibt es

 

 

                            da schmecken die Zigaretten

   nach Blei & „hast du den Glenfiddich

   schon probiert – schlimmer noch

                                                            als sonst...“.


 

Abende gibt es

                                  da hilft auch die flatternde Zunge

      der Thekenfrau nicht, nicht die Kaffeebohne

       im Schnaps, da bleibt der Schaum vorm Mund

                                    des Nebenmannes absichtslos. &


 

    es gibt Abende,

                                 die gibt es praktisch nicht, die

     sind so tragisch sacht bemoost mit Plastiklicht

     & Schwaden von Terrinen, seit Stunden

                                   spielt die Klospülung

     ein ganz erschöpftes Lied & der erste,


 

  der sich auf den Weg nach Hause macht,

       sagt: „Abende gibt es, Freunde,

  gute Nacht.“

 

 

 

Tuschen

 

Dort auf dem schwarzen Ast die Amsel

blickt dich an, mit der Schere geschnitten

aus einem Tag, an dem du vorbeigehst.


 

Kirschblütenschritte (Tusche), nachts

loderte hier deutlich eine, von Benzin

gestachelt, Feier auf, mit wenig Pinsel-


 

strichen dieser ausgekohlte Abfalleimer

hingerissen, Leuchtspur junger Stimmen,

in einer allzu weiten Perspektive. Dunkel-


 

gelb der Schnabel ist schon fest geworden

auf den Bütten (Federsaum). Mit welchem

der Bilder trittst du aus allen Bildern heraus

 

 

 

Alle Gedichte:  © Lars Reyer, Leipzig 2010

 

 

 



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