LETNA PARK     Prager Kleine Seiten
Kulturmagazin aus Prag
info@letnapark-prager-kleine-seiten.com

 

 

Lobbyismus in Brüssel

von Katja Schickel

 

Die Nichtregierungsorganisation Lobby Control hat die Neuauflage eines speziellen Brüsseler Stadtführer vorgestellt, Lobby Planet Brüssel, heißt das Buch (für fünf Euro hier erhältlich), das die immer raffinierteren Tricks von Lobbyisten dokumentiert. Von den rund 30.000 Lobbyisten, die in in Brüssel tätig sind, arbeiten ca. 80 Prozent für die Wirtschaft, die mit den von ihnen finanzierten Beratern direkten Einfluss auf die mächtige EU-Kommission erhält. Sie sind es, die aktiv an Gesetzen mitschreiben, weil viele Abgeordnete und EU-Kommissare schlicht und ergreifend schlecht informiert sind. Es fehlt eine Institution, die den Abgeordneten zuarbeitet. Da Lobbyisten oft sehr früh Informationen über geplante Gesetze erhalten, können sie schnell und gezielt Einfluss nehmen.

Kritisiert wird darüber hinaus, dass viele EU-Kommissare in die Wirtschaft wechseln oder bereits während ihrer Amtszeit durch wirtschaftliche Interessen gesteuert werden.

Beispiele: Der Vorsitzende des Ausschusses für Industrie (ITRE), Herbert Reul (CDU), der im Parlament Änderungsanträge eingebracht haben soll, die aus der Feder von Lobbyisten der Auto- und Energieindustrie stammten. Der EU-Abgeordnete Klaus-Heiner Lehne (CDU), der Anwalt ist und sein Geld mit Aufträgen aus der Abteilung Wettbewerb, EU und Handel verdient. Im Parlament plädierte er häufig für eine Verschärfung des Urheberrechts, eine der Spezialitäten seiner Kanzlei.

Dass sich besonders die EU-Kommission von Wirtschaftsinteressen beeinflussen lässt, hat damit zu tun, dass die EU anfangs vor allem eine Wirtschaftsunion war und sich viele immer noch als Dienstleister der Industrie verstehen.

Damit im Brüsseler (und damit im europäischen) Kräfteverhältnis ein Ausgleich hergestellt werden kann, fordert Lobby Control ein verpflichtendes Register für alle, die in Brüssel als Lobbyisten auftreten. Alle Institutionen sollten auf solche Einflussnehmer achten und sie im Zweifel melden. Obwohl das EU-Parlament strengere Kontrollen bereits vorgesehen hatte, wurde der Vorschlag schließlich wieder entschärft, vermutlich gerade von denen, die daran kein Interesse haben können.

Der Stadtführer Lobby Planet Brüssel ist eine Koproduktion der Nichtregierungsorganisationen Lobby Control und Corporate Europe Observatory. Die erste Auflage erschien im Jahr 2004. Lobby Control finanziert sich vor allem durch Spenden. (03.09.2012, dpa)

 

Start-up für Lobbyisten

Fünf beachtenswerte Grundregeln

 

1. Am wichtigsten ist die Eröffnung eines Büros in Brüssel.

2. Danach ist es für Lobbyisten wichtig, Kontakte (Vitamin B) zu knüpfen – vor allem zu Verantwortlichen in der EU-Kommission. Ziel ist, möglichst früh von Gesetzesplänen zu erfahren.

3. Am effizientesten ist natürlich die direkte Berufung des Lobbyisten (der Lobbyistin) in die Expertengruppe, die den Gesetzesentwurf erarbeitet.

4. Wie geschmiert und erfolgreich ist auch die gezielte Abwerbung von EU-Entscheidungsträgern.

5. Auf der Glaubwürdigkeitsskala bewährt hat sich aber auch die Gründung einer Denkfabrik, weil sich mit dieser leicht vertuschen lässt, wer hinter den tendenziösen Studien steckt.

 

Und so geht es auch 2013 weiter. Mehr Informationen unter: http://lobbyplag.eu

 

20.03.2013, 3sat - kulturzeit 



Tweet