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Martin Wehrle
„Herr Müller, Sie sind doch nicht schwanger?!“
Warum das Berufsleben einer Frau für jeden Mann ein Skandal wäre
320 S., Paperback, Klappenbroschur, Mosaik Verlag
ISBN: 978-3-442-39255-1; € 14,99 D, € 15,50 A, CHF 21,90








Eines Morgens wacht Herr Müller auf und ist eine Frau. Das Szenario ist nicht ganz neu. Wir kennen es aus Filmen und anderen Büchern, trotzdem geht die Emanzipation in diesem Bereich immer noch eher im Schneckentempo voran. Hier wird die Situation humorvoll und dennoch klug zugespitzt.

 




Martin Wehrle:

Auszug aus dem Vorwort Plötzlich Frau


Was wäre los im Land,

wenn ältere Managerinnen in ihren Vorzimmern leicht bekleidete Jünglinge als Chefsekretäre hielten? Wenn deutsche Männer mit zweiundzwanzig Prozent weniger Gehalt als Frauen nach Hause gingen, dem Minus-Rekord in Europa? Und wenn jeder zweite berufstätige Mann unter zweiunddreißig Stunden pro Woche arbeitete und damit im Karriere-Abseits stünde – aber nur jede zehnte Frau? Was wäre los, wenn jedes Bewerbungsgespräch nur für kinderlose Männer zum Polizeiverhör würde? Wenn die Gesprächspartner ihnen nicht in die Augen, sondern nur auf den Bauch schauten? Und wenn Männer dasselbe gefragt würden wie gerade eine junge Architektin: "Aus welchen Räumen würde Ihr persönliches Traumhaus bestehen?" Beim leisesten Verdacht auf Kinder(zimmer): Klappe zu, Bewerbung tot.


Die Hölle wäre los!
Männer würden auf die Barrikaden gehen, Politiker neue Gesetze machen, Kommentatoren aufschreien. Aber dass Frauen jeden Tag so behandelt werden? Ganz normal.
[…] Eine Mauer […] zerschneidet die Berufswelt in zwei Hälften: das Land der beruflichen Selbstverwirklichung (für ihn), und das Land der beruflichen Einschränkung (für sie). Wer als Frau die Seite wechseln will, muss mit offenem Feuer rechnen.


Feuer droht

durch Journalisten, wenn sie jede Managerin fragen: „Wie vereinbaren Sie Beruf und Kinder?“ Leiden die Kinder? Oder leidet der Beruf? Dagegen wird der Manager, der stolz das gerahmte Kinderfoto präsentiert, gefragt: „Woher nehmen Sie auch noch Zeit für Ihre Familie?“ Worauf er, selbst wenn er die Kinder nur noch vom Hörensagen kennt, die rührende Geschichte vom frühen Feierabend am Freitag erzählt.

Feuer droht durch eine Gesellschaft, voller Geschlechterklischees: Ein frisch gebackener Vater, der seine Arbeitszeit steigert, gilt als guter Versorger; eine ebensolche Frau als Rabenmutter. Ein Mann, der für seine Ziele kämpft, gilt als durchsetzungsstark; eine Frau als verbissen und zickig.

Feuer droht durch Firmen, in denen man Forderungen mit der verbalen Pistole stellen muss – kein Problem für viele Männer. Aber wer Erstklassiges leistet und hofft, von alleine belohnt zu werden, wie viele Frauen, erlebt Märchenhaftes: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann warten sie noch heute.

Und nicht zuletzt droht Feuer, das Frauen auf sich selbst eröffnen. Was tut ein Mann, wenn er eine Absage auf seine Bewerbung bekommt? Er schimpft auf den Entscheider. Was tut eine Frau? Sie fragt sich, was sie falsch gemacht hat. Aus einem internen Bericht von Hewlett-Packard geht hervor: Eine Frau bewirbt sich auf Stellenausschreibungen nur, wenn sie hundert Prozent der Kriterien erfüllt; ein Mann schickt seine Mappe schon bei sechzig Prozent los. Und eine Studie der FU Berlin ergab: Wenn Bewerber fünf Minuten für ihre Selbstpräsentation bekommen, sprechen Männer im Schnitt eine Minute länger als Frauen – und werden als kompetenter wahrgenommen.


Das Mutti-Sein satt haben

Nun könnte man einwenden: „Aber immerhin wird ]Deutschland] von einer Frau regiert!“ Stimmt. Doch wahr ist auch, dass erschreckend viele Berichte über Angela Merkel von einem fröhlichen Landleben mit ihrem hausgemachten Apfelkuchen handeln (Rezept streng geheim!). Zog nicht das ganze Land den Hut vor der wichtigsten Personalentscheidung ihrer Karriere, dem Friseurwechsel zu Beginn? Und wenn die Medien einen Steckbrief im Fußballstadion aushängen, fahnden sie stets nach einem gewissen Professor Sauer, ihrem Ehemann: Warum weigert er sich bloß, die Frau an Merkels Seite zu spielen?

Aber deshalb von Klischees, Rückständigkeit oder gar Frauenfeindlichkeit zu sprechen - nur weil man Gerhard Schröder nicht hätte „Papi“ nennen können, ohne selbst als infantil zu gelten -, ginge natürlich zu weit! Denn Angela Merkel hat den größtmöglichen Aufstieg hingelegt: von Kohls Mädchen, leibeigen, zu Deutschlands Mutti, volkseigen.

Die amerikanische Linguistikprofessorin Deborah Tannen schreibt: „Warum empfinden es so viele berufstätige Frauen als erniedrigend, wenn man sie als 'mütterlich' kennzeichnet? Ein Grund dafür mag sein, dass Mütter mit einem Leben im Hause assoziiert werden, denn die berufstätigen Frauen versuchen ja gerade der Erwartungshaltung zu entkommen, wonach die Frau 'ins Haus gehört'.“


Rollentausch für 65.000 Euro 

Dabei weisen Studien nach, dass Organisationen mit überdurchschnittlich vielen Managerinnen effektiver arbeiten. In Europa erzielen sie im Schnitt achtundvierzig Prozent mehr Rendite, in den USA dreiundfünfzig Prozent. Schluss mit der Männerwirtschaft, bessere Chancen für Frauen! Als Auftakt schlage ich einen Tag des Perspektivenwechsels vor, an dem Männer und Frauen überall im Land Aufgaben und Gehälter tauschen. Die Sekretärinnen erobern die Chefsessel und diktieren ihren Vorgesetzten die Briefe. Die Arzthelferinnen lassen sich von den Ärzten Rezepte ausdrucken. Die Reinigungsfrauen schicken die Hoteldirektoren zum Kloputzen. Maschinenbauer und Airlines müssen die Arbeit leider einstellen, mangels ausgebildeter Frauen.

Die Männer erfahren so am eigenen Leib, dass die Arbeitswelt nach heutigem Zuschnitt für jede Frau ein Skandal ist. Und die Frauen erleben, dass sie in verantwortlichen Positionen bestehen können - und trauen sich mehr zu als bislang. Laut einer internationalen Studie sagt nur jede vierzehnte Frau von sich, sie stünde gerne an der Spitze einer Firma, aber jeder vierte Mann.

Diskussionsstoff verspräche auch der Gehaltstausch: Martin Winterkorn hätte am Abend etwa 200 Euro verdient. Dagegen dürfte sich seine Sekretärin für einen einzigen Arbeitstag als VW-Chefin auf 65.000 Euro freuen.


Auszug aus dem Vorwort: Plötzlich Frau.

Leseprobe: http://www.randomhouse.de/Paperback/Herr-Mueller-Sie-sind-doch-nicht-schwanger/Martin-Wehrle/e434941.rhd



Martin Wehrle, * 1970, ist Deutschlands bekanntester Karriere- und Gehaltscoach und schreibt u.a. für DIE ZEIT und SPIEGEL Online. Seine Bücher sind in zwölf Sprachen erschienen. Zuletzt landete er mit Bin ich hier der Depp? einen gefeierten Bestseller. An seiner Hamburger Karriereberater-Akademie bildet er Karrierecoachs aus.  

 


 



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