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Poetry Slam Programm*

 

Gemeinsam als Gruppe vom Publikumsraum aus auf die Bühne, in den Hintergrund, dann nummerisch geordneter Auftritt. Die 1. Gruppe geht ans Mikrophon und wieder zurück und sofort. Die Überleitungen übernimmt Frau Wünsche. Wenn alle fertig sind mit ihren Texten, gehen alle gemeinsam von der Bühne und Herr Philipp Herold übernimmt die eigentliche Anmoderation.

Frau Wünsche: schnipp, schnipp, schnipp

Sie slamen sich den Unifrust vom Leib, sie slamen sich den Unifrust vom Leib. Sie slamen sich den Unifrust vom Leib, dreht sich wieder in den Hintergrund und das Mikrophon gehört Frau Sforza und ihrer Gruppe.


Gruppe 1 ( Einstieg)

Domenica gemeinsam mit Kommilitonin: P-o-e-t-r-y-s-l-a-m-e-n? Okam, das ist was?

Domenica (rhythmisch und stürmisch): P-o-e-t-r-y S-l-a-m-m-e-n ist eine Art, Geschichten zu erzählen,

Melanie: damit wollen wir auch die Nicht-Dichter quälen.

Domenica: Euch dazu bringen, Literatur zu wählen. Schauspiel, Komik, Groteskes? Reine Reflexion

Melanie: Freilachen, Freimachen? Freiweinen…

Domenica: Katharsis, das wusste Aristoteles schon…

Pointe????


Gruppe 1 geht in den Hintergrund der Bühne und Gruppe 2 kommt mit den Worten von der Putzigen nach vorne ans Mikrophon

Johanna: Worte? Slowa? And Words?

Agnes: Qui, Les mots, les verbes

Die Putzige: Ab mit les Gammas, les Gammas aus dem Wortweltall, in dem noch nicht das Bezeichnete vom Bezeichnenden getrennt ist……

Johanna: Und die Geschichten der Sprache, der Worte,

Agnes: Komm her, Hör zu, Mach mit…

Agnes/Johanna: Geschichten-

Johanna (noch fragend): erzählen?

Agnes (sicher): entdecken!

Johanna ( noch nicht überzeugt und skeptisch): erhören?

Agnes (weiterhin überzeugt): erschrecken, im Schaukelstuhl gedanklich entsprungen -

Johanna (sicherer): erklärend und analysierend

Agnes: aber nicht entzaubernd an der Tafel mit Kreide erscheinend

Johanna: die Worte

Agnes: die Sprache

Johanna: die Herkunft

Agnes: das Land

Johanna: verschieden prägend doch flexibel zugleich -

Agnes: Koblenz oder Krakau ist doch egal

Johanna: Ich will keine Jungfrau sein, kein Lamm -

Agnes: der Drache von Krakau verschlingt beides zugleich -

Johanna: Er hat die Wahl

Agnes: Heimat oder Zuhause

Alle: Nein!!!

Johanna: Ich habe die Wahl

Agnes: Angst vor dem Neuen und Fremden, die hemmt

PSSSSTTTTT!!! Cicho byc, - shut up! - nie mow tak glosno, - zapaczona, zamknienta, stracona jestes ty, to tylko slowa niemowionce dokladne jak ma to byc-

Agnes: die Worte

Johanna: die Sprache ist anders

Agnes: Geräusche

Johanna: Gerüche

Agnes: Geschmäcker sie weichen, was bleibt im Gedächtnis tief verborgen, trauriges Gelächter und lustiges Weinen

Mut –

Mut

Mut – Tiger – gibt mir die Hand -

kleine Gesten kaum spürbar und sichtbar im Verborgenen vollzogen, erzeugen kaum merklich, aber erkennbare Spuren -

Verstanden,

Verwachsen,

Verwirrung sie weichen,

Was bleibt ist Vertrauen oder Entweichen?

Alle: Nein!!!

ich habe die Wahl -

ich will keine Jungfrau sein, kein Lamm -

der Drache von Krakau verschlingt beides zugleich -

PSSSSTTT!!! Cicho byc – shut up - nie mow tak glosno-zapaczona, zamknienta, stracona jestes ty, to tylko slowa niemowionce dokladne jak ma to byc-

Der Gedanke nicht gebrochen doch gebeugt, erhebt sich erneut.

Der Schmerz nur ganz leicht, lässt Freude erschauern.

Gelernt haben wir draus nicht, nur gewachsen ist der Kampf, beim nächsten Mal flüsternd zu schreien -

Verstanden,

Verwachsen,

Verwirrung sie weichen,

was bleibt ist Vertrauen

oder Entweichen!!!

 

Gruppe 2 geht in den Hintergrund und Gruppe 3 kommt aus dem Publikumsraum langsam hoch zum Mikrophon, an dem Die Putzige, schon steht und Gruppe 3 einleitet

Die Putzige: Wir alle kommen aus dem Seminar „Ich bin eine Geschichtenerzähler“ und haben uns bisher vor allem mit Otfried Preußler beschäftigt und seinen Figuren, die wie er über die Iser schwammen. Kazdy mam nekoho, romany josu vlatsne take phadky. Sprache zum drin Übernachten, Figuren zum Schutz! Dabei war uns schnell sonnenklar, Geschichten sind also vor allem Klang und Rhythmus, der Motiven den Weg weist, tanzend, sind

Alle: Poetryslam miteinander, gegeneinander, um füreinander da zu sein.

Die nächste Geschichte ist eine Hommage an Preußlers Gespenster, Wassermänner, Hexen und Räuber, die ihrerseits schon Lobhudeleien für die Figuren aus dem Böhmerwald waren, von welchen man tschechisch, deutsch, jiddisch und slowakisch und auf Romani und darüber hinaus wispern hörte zu einer Zeit vor unserer Zeit. Und nun treffen diese Böhmen auf einen bösen antisemitischen Gauner aus dem Hunsrück, der verklärt wurde zum Robin Hood, einer Figur aus dem Kollektiv, den diese Gruppe zu anderem und eigenem, erfreulicherweise bös endenden Leben erweckt. Absoluter Held ist ein Gespenst, das sie sich aus Preußlers Geschichte neu zusammendachten.

 

Gruppe 3

Erzähler: Der kleine Wassermann, die kleine Hexe und das kleine Gespenst kommen zum Tee vorbei. Tee natürlich, weil die ja noch klein sind und keinen Kaffee trinken. Die kleine Hexe und der Wassermann verstehen sich recht gut, beide machen gerne Unsinn, verschütten manchmal den Tee und krümeln überall mit den Schokoladenkeksen vom Aldi herum. Das kleine Gespenst erzählt immer gerne, wenn es schon nicht trinken und krümeln kann. Dann sagt es am Anfang immer, dass es noch etwas wisse und dass es das auch alles selbst erlebt habe, und dann wird erzählt und die kleine Hexe und der kleine Wassermann hören auch zu, machen keinen Unsinn mehr, weil sie ja auch gerne Geschichten hören. Hier die von letzter Woche.

 

Gespenst: "Ach, ich weiß noch was, wissen sie, im Jahr 1799 im Februar. Es war ein Freitag, dass weiß ich noch ganz genau. Hier in einem Turm, ganz in der Nähe. Nein, sie fragen sich bestimmt, das sehe ich schon in ihren Gesichtern, ob es in einem meiner Türme war, dass war es nicht, ganz bestimmt nicht."


Erzähler: Als das kleine Gespenst das gesagt hatte, ließ das Interesse des kleinen Publikums etwas nach, weil sie sich wohl erhofft hatten, wieder etwas von Eulenstein zu hören. Und dann fing der kleine Wassermann an, mit seinem Teelöffel ganz leise gegen die blaugrüne Keramiktasse zu schlagen.


Gespenst: "Warum ich noch genau den Tag weiß, das fragen sie sich bestimmt auch. Sie wissen ja, ich habe so meine Gewohnheiten und jeden Freitag mache ich ja immer meine Ausflüge. In dieses Dorf oder jenes. Ich bin also auch an diesem Freitag im Februar 1799 wieder einmal in eins der Dörfer geflogen. Die Nacht war recht dunkel. Recht dunkel sage ich, weil ich sie ja kenne und weiß, dass sie die Nacht dunkel finden. Ich sehe ja Mondlicht und Sterne und auch die Wolken ein wenig scheinen. Und so konnte ich auch in der Nacht durch die Wolken manchmal einige silberne Mondstrahlen sehen oder auch das weiße Licht von den Sternen."


Erzähler: Hier hat dann auch die kleine Hexe angefangen mit ihrem Teebesteck zu spielen, tippte mit dem Löffel abwechselnd gegen blaugrüne Teetasse und Tellerchen.


Gespenst: "Der, von dem ich ihnen erzählen will, das war ein ganz schlimmer. Ein Räuberhauptmann, mit wenigstens sieben Messern und Büchse, einem grünen Hut mit Federn dran. Der hat immer so gut getan und wollte, dass die Leute ihn mögen, aber das hat ihm am Ende dann doch nicht geholfen."


Erzähler: Bei den Worten "Räuberhauptmann" und "Messern" blickte der kleine Wassermann dann wieder zu dem Gespenst und die kleine Hexe hat sich auf ihrem Stuhl etwas hochgeschoben, um besser hören zu können.


Gespenst: "Ein Räuberhauptmann, sage ich ihnen, glauben sie mir ruhig, und ein ganz wilder noch dazu! Er war also bei einer seiner Übeltaten, wo er Leute mit seinen sieben Messern in der einen und der Büchse in der anderen Hand bedroht hatte, um sie auszurauben, und wurde dann aber doch von der Gendarmerie festgenommen. Und dann wurde er in den Turm gesteckt, von dem ich erzählen wollte und wo ich ins Spiel kam."


Erzähler: Hier war das kleine Gespenst auch etwas stolz. Und es war nach langer Einleitung und Umwegen endlich zu der Geschichte gekommen. Das war meistens so, es war nicht besonders gut im Geschichtenerzählen, verzettelte sich oft, aber wenigstens hatte es diesmal an seinen Naturbeschreibungen gespart.


Gespenst: "Warum ich überhaupt an dem Turm war, das fragen sie sich, das war einfach Glück, für mich, weil ich es ihnen nun erzählen kann, und für den, von dem ich erzähle, weil ich ihm einen Schubs gegeben habe, als er feststeckte und ohne den er wohl heute noch feststecken würde. Ich flog also über ein paar Berge, wie gewöhnlich an Freitagen, und dann über einen breiten Fluss, ja Herr Wassermann, es gab da auch einen Fluss, und dann über ein kleines Wäldchen, in dem ich mir sicher bin, dass dort ein paar Raben lebten."


Erzähler: Hier haben dann der kleine Wassermann und die kleine Hexe ganz aufmerksam zugehört, so ist das immer, wenn das Gespenst erzählt und - ich vermute es tut das absichtlich - Flüsse und Raben in seine Geschichten einbaut, weil es ja weiß, wie sehr die beiden das mögen.


Gespenst: „Ich flog also an jenem Freitag in dieses Dorf und sah, dass aus dem winzigsten Fenster eines Turms ein Hosenbein zu mir hinaus winkte. Dann kam das zweite, Gürtel, Hemd, Mantel, alles fest zusammen geknotet und hing fast bis zum Boden. Dann streckte sich auch ein Arm durch das Fenster, dann noch einer, aber mehr kam nicht. Das Fenster war ja auch das aller winzigste des ganzen Turms. Ich wollte einmal sehen, was da eigentlich vor sich ging. Bin dann ganz schnell zur Tür des Turms geflogen und habe meinen Schlüssel gegen die Tür geschwungen, die sofort aufsprang, dann die Treppe hoch, eine Wendeltreppe und ich war so schnell, dass mir ein wenig schwindelig wurde beim Wendeltreppensteigen. Ich schaute dann zuerst einmal durch das Schlüsselloch, und sah, wie sich mir nun zwei Beine entgegenstreckten, kein Kopf in Sicht und deswegen schwang ich meinen Schlüssel also gegen die Tür. schon war ich in dem Turmzimmer mit dem winzigsten Fenster, das sie sich vorstellen können, und doch steckte da ein Mann halb drinnen. Es war nun aber so, dass er nicht weiter kam und auch nicht wieder zurück konnte oder wollte. Und da nahm ich dann seine Füße und drücke feste dagegen bis der Mann sich nun kopfüber an seinen Anziehsachen aus dem Fenster hangelte. Und dann musste ich natürlich auch schon wieder nach Hause bevor die Geisterstunde vorbei war. Aber als ich aus dem Turm heraus kam, sah ich noch, wie dieser Räuberhauptmann nur in Unterhose in Richtung Wald lief.“


Erzähler: Die Geschichte war hier wohl vorbei, das kleine Gespenst hatte seinen Kopf gesenkt, aber seine Augen schauten verschmitzt auf.

 

Gespenst: „Ach, sie wundern sich bestimmt auch, warum ich dem Verklemmten da geholfen habe. Da wusste ich ja nichts von seinen sieben Messern und der Büsche und vom Räuberhauptmannsein. Außerdem, es hat ihm dann auch nicht viel geholfen, dass ich ihn befreit habe. Denn am 27. Oktober 1803 wurde er hingerichtet. Das hat mir der Uhu Schuhu erzählt. Hingerichtet haben sie den Schinderhannes und den Kopf abgehackt. Einfach so, wissen sie."

 

Gruppe 3 geht in den Hintergrund der Bühne und Gruppe 4 geht vor das Mikrophon

1: Aber bitte mit Kämmzwang oder...?

2: Gute Geschichten fangen auch vor Poetryslams immer wie an?

Alle: Es war einmal...

2: Die Loreley auf ihrem Felsen bei St. Goar...

1: Ach die, mit dem goldenen Haar... Schiffeversenkerin, verwunschen, verschwunden verteufelt!

2: ... Teufelsweib... Dämonin... Hexe!

1: Halt halt ... hab gehört sie war nur krank, hatte ´nen Tick... Zwangsstörung oder so

2: Kann Kämmzwang krankhaft sein?

1: Kann schon sein...

Alle: Wisst ihr was! Selber fragen! ... Die Loreley!

1: Sitzt sie noch, verharrt sie noch? Oder, wohnt sie schon?

2: Ist sie noch da, auf ihrem Felsen bei St. Goar?

1: Glaube schon, Gerüchte gibt’s, gemunkelt wird

2: Person oder Geist?

Alle: Fiktion oder Real?

1: Man erzählt, sie sei böse!

2: Hinterlistig, gehässig, gemein...

1: ... gefürchtet. Geisel der Schiffe im Rhein.

Gruppe 4 geht und Gruppe 5 kommt an das Mikrophon

Geborgenheit.

Irgendwie warm,

Alte Knochen, von Erfahrung gezeichnet,

Ihr loses Mundwerk zeigt, dass sie nicht an Fäden hängt.

Langjähriges Unterhaltungsmedium,

Emotionaler Mülleimer mit Kaffeetasse.

Stets ein Lächeln im Gesicht, von roter Farbe gerahmt.

Immer,

Täglich.

Eigensinn.

Ruhelosigkeit oder Leidenschaft?

Müdes Fleisch, getrieben von starkem Geist,

Die Fassade alterte

Ihre Augen blieben jung.

Mit blondem Häubchen,

Im Schutze gewohnter Umgebung.

Mut oder Resignation?

Ein Steinchen im Mosaik, welches sich Koblenz nennt.

Von Stadt bis Land

ist mir bekannt

diese, oft verbrauchte Frau

die Männer hat, ich weiß nicht genau,

das Stadtbild hübsch verschandelt

weiß doch jedermann um wen’s sich handelt

so gut bürgerlich zurechtgemacht

steht sie da bei Tag und Nacht

Und wie sie steht! Was für ein Graus

unter dem Tor, vor diesem Haus

sieben Schritt Auslauf, erscheinen zu weit

zu eng gefasst, die ganze Zeit

mag ich berichten

nicht erdichten

von meinem Wege

den ich hier gehe

Auf meinem Weg von hier nach da

traf eine Frau die gar nicht war

auch heute stand sie wieder dort

ich wünscht ich wünscht

sie wäre fort.

Abgang: Phillip gibt schnippend ein Zeichen – Gruppe geht von der Bühne, dabei sprechen alle zu dem Schnippen von Herrn Herold und schnippen selbst mit: poetry slam is potery slam is poetry slam is so!

 

* siehe hierzu: Otfried Preußler; Spots; Termine

 


10.12.2013

 



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